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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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wollen eine praktische
Lösung für ein Problem, unter dem saudische Frauen
leiden“, sagte sie mir. Alle teilnehmenden Frauen seien sehr
verantwortungsbewusst. Die meisten seien über dreißig
Jahre alt und hätten Kinder. „Alle haben einen
internationalen Führerschein oder den eines anderen Landes“,
so Al Nafjan.
    Sara Al Khalidi war
eine der Frauen, die fuhr. Mit ihr sprach ich am Telefon. Die
30-jährige fuhr mit ihrer Mutter jeden Tag, sagte sie. „Na
gut, stimmt nicht ganz. An einem Tag hatten wir keine Zeit“,
präzisierte sie. Aber die Genugtuung in ihrer Stimme war
trotzdem nicht zu überhören.
    Mutter und Tochter
hatten jeweils Bücher, eine Zahnbürste und frische
Unterwäsche mitgenommen. Falls sie doch festgenommen würden.
Etwas Aufregendes ist jedoch nicht passiert. „Die saudische
Regierung sagt immer, unsere Gesellschaft ist sehr konservativ und
das Fahrverbot ist mehr eine soziale Restriktion als eine
gesetzliche, aber das ist Unsinn“, sagte die Studentin, die
damals ihren Master machte. „Die Reaktionen der Männer
waren fast ausschließlich positiv. Die meisten zeigten uns den
nach oben gerichteten Daumen oder das V für Sieg.“ Nur
einmal habe die beiden Frauen die Polizei gestoppt, nachdem ihnen
ein Auto gefolgt sei, dessen Fahrer sie denunziert hatte. „Der
Polizist riet uns, besser am Abend zu fahren. Er war eindeutig auf
unserer Seite.“
    Wie die
Verkehrsteilnehmer im Königreich auf die fahrenden Frauen
reagierten, weiß ich nicht. Trotz vieler Versuche hat mich
keine Fahrerin mitgenommen. Keine traute sich. Schließlich bot
ich an, im Taxi hinterher zu fahren, aber bevor es dazu kam, hatte
sich das Fenster des freien Fahrens schon wieder geschlossen.
    Ich hatte meine
Zweifel, dass die Männer im Königreich wirklich so positiv
auf die fahrenden Frauen reagierten. Als Reaktion auf „Women2Drive“
begann jemand eine Kampagne, fahrende Frauen mit dem Agal zu
schlagen, der schwarzen Kordel, mit der saudische Männer ihr
Kopftuch fixieren. Sie gewann rasch Befürworter.
    Der saudische
Journalist Saad
Al Salim war ein
paar Monate zuvor in Riad gefahren – mit Abaya und Niqab, den
schwarzen Integral-Tüchern, die einen sofort als Frau erkennbar
machen. Er wurde mit Steinen beworfen, beschimpft und fast von der
Straße gedrängt.
    Für andere
Männer wieder waren die fahrenden Frauen kein großes
Thema. Meine Studenten lachten viel und machten Witze über die
Frauen und die vielen Unfälle, die sie angeblich verursachten.
Fast alle waren gegen die Frauen hinterm Steuer, weil die Straßen
dadurch voller würden und angeblich unsicherer, aber in Wallung
brachte sie das Thema nicht.
    Der Königsfamilie
gelingt es gewöhnlich sehr gut, die internen Spannungen nicht
nach außen dringen zu lassen, aber biem Thema der fahrenden
Frauen waren sie fast mit Händen zu greifen. In diesen
aufregenden elf Tagen spaltete sich das Königshaus in zwei
Lager: ein liberales, das dafür war, das Fahrverbot aufzuheben,
und ein konservatives, das strikt dagegen war.
    Die
Meinungsverschiedenheit trugen beide Lager in den Medien aus. Den
Anfang machte der Investor und Windmacher Prinz Al-Waleed Al bin
Talal. Der „New York Times“-Kolumnistin Maureen Dowd
sagte er, seine Frau fahre das gemeinsame Auto, sobald sie auf einem
Flughafen in einem fremden Land gelandet seien. Dann kam seine Frau
dran. In einem Interview mit dem amerikanischen Sender „NBC“
sagte Prinzessin Amira, es seit höchste Zeit, dass das
Fahrverbot falle.
    Dann schoss das
andere Lager zurück. Eine Tochter des verblichenen König
Saud sagte der Nachrichtenwebseite „Sabq“, die Frauen,
die fahren wollten, ließen sich als Bauernopfer fremder Länder
missbrauchen.
    Und unmittelbar
nach Manal Al Scharifs Verhaftung hatte der stellvertretende
Innenminister Prinz Ahmed schon klargestellt, seine Beamten würden
das Fahrverbot auf jeden Fall durchsetzen. Auch wenn es nur auf
einer Fatwa fußte und nicht gesetzlich festgeschrieben ist.
Das Innenministerium gilt als Bastion der Religiösen.
    König Abdullah
und der Außenminister Prinz Saud dagegen, die als Reformer
innerhalb der Königsfamilie gelten, hatten sich schon vorher
wiederholt gegen das Fahrverbot ausgesprochen. „Für uns
ist das kein politisches Thema, es ist ein soziales Thema“,
sagte Prinz Saud 2007 zum Beispiel dem britischen Fernsehsender
„Channel 4“. „Wir glauben, das ist etwas, das die
Familien entscheiden sollen.“
    Schließlich
bestätigte der Sprecher des

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