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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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verglichen.
„Women2Drive“ forderte die Frauen des Königreiches
auf, sich am 17. Juni 2011 hinter das Steuer zu setzen.
    Manal Al Scharif
ist vierunddreißig Jahre alt. In einer vielbeachteten Rede,
als sie 2012 in Oslo den Vaclav Havel-Preis annahm, hat sie gesagt,
sie sei in einer normalen saudischen Familie aufgewachsen und sei in
ihrer Kindheit und Jugend sehr religiös gewesen. Erst mit
einundzwanzig Jahren habe sie sich „erlaubt“, Musik zu
hören. Auch die Bilder des Anschlages am 11. September 2011,
sagt sie, haben sie schockiert und aufgeschreckt. Schließlich
sei ihr klar geworden, wie sehr die saudisch-religiöse
Ideologie des Hasses sie gegen die Welt eingenommen hatte.
    Am 20. Mai 2011
fuhr Al Scharif mit ihrem Auto durch Al Khobar, einer Stadt am
Persischen Golf. Wajeha Huwaider filmte sie dabei. Anschließend
stellten sie das Video ins Internet. Innerhalb weniger Tage wurde es
600.000 Mal angeschaut.
    Am nächsten
Tag fuhr Manal Al Scharif wieder, diesmal zusammen mit ihrem Bruder.
Sie wurde von der Polizei gestoppt, aber auch wieder freigelassen,
nachdem sie eine Erklärung unterschrieben hatte, dass sie nicht
mehr fahren werde.
    Am nächsten
Tag wurde sie jedoch am frühen Morgen in ihrem Haus verhaftet
und neun Tage lang festgehalten. Ihr Anwalt sagte, sie wurde
angeklagt, die Öffentlichkeit aufgewiegelt und das Ansehen des
Königreiches im Ausland geschädigt zu haben.
    Manal Al Scharifs
Festnahme ging durch die Weltpresse. In den US-Medien wurde sie mit
Rosa Parks verglichen, der jungen schwarzen Frau, die ihren Platz im
Schulbus nicht hergeben wollte und so eine wichtige Rolle in der
Bürgerrechtsbewegung der frühen sechziger Jahre spielte.
    Aber nicht nur
Manal Al Scharif fuhr. Auch andere Frauen setzten sich hinters
Steuer. Najla Hariri lebt in Dschidda am Roten Meer. Sie sah die
„Women2Drive“-Kampagne im Internet und wollte sich
sofort anschließen. Die 47-jährige ist am anderen Ende
des Spektrums der Frauenrechtlerinnen im Königreich
angesiedelt. Sie ist Hausfrau und Mutter von fünf Kindern. Als
ich sie im Sommer 2011 fragte, ob sie sich selbst als „Aktivistin“
sehe, kam sie merklich ins Zaudern: „Mmh, na ja, ich weiß
nicht, schon irgendwie. Es geht ja nicht anders.“
    Trotzdem fuhr Najla
Hariri noch vor dem 17. Juni. Mit ihrem Mann und den Kindern war sie
erst vor kurzem wieder aus dem Ausland ins Königreich
zurückgekommen. Sie hat einen ägyptischen, libanesischen
und sogar einen internationalen Führerschein. „Mein
Fahrer hatte gekündigt, und ich musste dringend meinen Sohn zur
Schule bringen“, hat sie damals über ihren Akt der
Rebellion gesagt. „Das war kein Protest, sondern einfach
Notwendigkeit.“ Seitdem fuhr sie regelmäßig.
    Am Anfang wusste
ich nicht, was ich von „Women2Drive“ halten sollte. Nach
der Erfahrung mit dem saudischen „Tag der Wut“, der
nicht war, drei Monate früher, dachte ich, am 17. Juni wird
keine einzige Frau fahren. Natürlich wünschte ich der
Kampagne viel Erfolg, aber ich war sicher, dass es nicht genügend
Frauen im Königreich gab, die eine Verhaftung riskieren würden.
    Ich habe mich
jedoch getäuscht. Am 17. Juni brach ein Damm. In diesen
aufregenden elf Tagen fuhren, je nach Zählung, zwischen fünfzig
und einhundert Frauen im Königreich. Und die Polizei ließ
sie ungehindert gewähren.
    Den Ausschlag
gegeben hatte offensichtlich die Flut negativer Berichterstattung,
die Manal Al Scharifs Verhaftung in der westlichen Presse ausgelöst
hat. Die Kampagne brachte die damalige US-Außenministerin
Hillary Clinton dazu, das Königreich öffentlich zu
verurteilen. Eine Initiative, den Autohersteller Subaru
aufzufordern, keine Fahrzeuge in Saudi Arabien zu verkaufen, bis
Frauen dort fahren durften, fand innerhalb weniger Tage 47.000
Unterschriften in 148 Ländern.
    Klug war es, dass
„Women2Drive“ weniger die frauenrechtlichen als die
praktischen Aspekte des Fahrverbotes in den Vordergrund stellte.
Damit hat die Kampagne das religiös-konservative Lager in die
Defensive gebracht. „Women2Drive“ strich die
alltäglichen Probleme für Frauen heraus, die Kosten einen
Fahrer beschäftigen oder Taxis bezahlen zu müssen.
Öffentliche Verkehrsmittel gibt es im Königreich so gut
wie keine.
    Die Sprecherin von
„Women2Drive“ Eman Al Nafjan war eine liberale
Bloggerin, die über die Rechte der Frauen im Königreich
schrieb. Immer wieder betonte sie, die Kampagne habe nicht das Ziel,
eine Revolution loszutreten. „Wir

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