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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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hunderte von
jubelnden Zuschauern angezogen. Nach einigen schweren Unfällen
hat jedoch die Polizei diese öffentlichen Schaukämpfe
unterbunden. Sie hat die Seite im Netz blockiert, auf der sich die
Drifter verabredeten und auf der sie die Videos ihrer waghalsigsten
Drehungen ausstellten. So verabreden sie sich nun eben einfach am
Telefon.
    Die Rennen sind
jetzt also illegal, aber die quietschenden Reifen junger Saudis, die
für diese Nächte üben oder einfach so ihre Autos
durch die Straßen jagen, sind ein Stück Alltag, den jeder
in Riads Vororten nur zu gut kennt. Vor beiden Apartment-Blocks im
Nordosten Riads, in denen ich gewohnt habe, rasten die Drifter Tag
und Nacht. Manchmal wachte ich davon auf, so laut war das Aufheulen
der Motoren und das Quietschen der Reifen. Und es war gefährlich.
Wenn die Drifter los waren, ging man besser nicht auf die Straße.
    Das Einzige, das
schließlich half, war Abbremsschwellen in der Straße vor
unserem Gebäude einzulassen. Erst dann bekamen wir etwas Ruhe.
    Aber es waren nicht
nur die jungen Männer, die hier für Paris-Dakar übten.
Auch unser Wachmann vom Sicherheitsdienst tat es. Ursprünglich
war er angestellt worden, um etwas gegen die Drifter zu unternehmen.
Aber eines Abends sah ich ihn wie er selbst um den Kurven driftete,
als gäb's kein morgen. Und irgendjemand hat ein Video von einem
saudischen Polizisten ins Internet gestellt, der es auch tat. In
einem Polizeiwagen.
    Ja, es war ein
Volkssport. Deshalb musste man stets auf der Hut sein auf den
Straßen. Wenn ich mit dem Fahrrad unterwegs war, war es
wichtig, außer den Augen auch die Ohren offen zu halten.
Mündete vor mir eine Querstraße nach rechts ein und ich
hörte ein Auto hinter mir, war Vorsicht angezeigt. Dann durfte
ich auf keinen Fall beschleunigen. Das hätte mein Ende bedeuten
können. Wollte dieser Fahrer nach rechts abbiegen, hätte
ich ihn nur angespornt, mir noch knapper den Weg abzuschneiden und
noch wilder um die Kurve zu heizen. Denn die Fahrer bremsten nie,
bevor sie nach rechts abbogen, (sie bremsten auch nur äußerst
ungern, wenn sie geradeaus fuhren), aber die knappen Rechtskurven
hatten es ihnen eindeutig angetan. Da schnitten sie mich am liebsten
mit viel Schwung.
    Natürlich
sahen sie das selbst nicht so. Wenn sie an mir vorbeigeschossen
waren, konnte ich selbst von schräg hinten noch das
selbstzufriedene Grinsen sehen, das sich auf ihren Gesichtern
einrichtete, und das entspannte Zurücklehnen in ihre
Fahrersitze. Sie hatten es wieder einmal geschafft. Und da sag noch
mal einer, sie könnten nicht auf den Zentimeter genau fahren!
    Dass ich voll in
die Eisen steigen musste, damit nicht wirklich nur ein Zentimeter
zwischen uns blieb, nahmen sie nicht mehr wahr. Ja, wieso auch? Sie
hatten schon das nächste Hindernis vor Augen, die nächste
Slalom-Stange ins Zielfernrohr gefasst, an der sie knapp
vorbeischrubben würden. Sie waren schon wieder auf den Kurs vor
sich konzentriert.
    Es war nicht
einfach als Fahrradfahrer im Königreich. Meine Kollegen
bewunderten mich halb für meinen Mut, halb erklärten sie
mich für verrückt. Aber zu meinem ersten Arbeitsplatz, der
Al Imam Universität, waren es von meiner Wohnung eben nur gut
zehn Minuten mit dem Fahrrad.
    Nach etwas
Probieren fand ich auch einen Weg, der von keiner der riesigen
Autobahnen versperrt wurde. Der erste Teil führte durch ein
Wohnviertel, das gerade erst gebaut wurde und deshalb nur wenig
Verkehr hatte. Nur der zweite Teil war etwas heikel. Kurz vor der
Uni musste ich rund einhundertfünfzig Meter auf der Autobahn
fahren – auf der Standspur.
    Leider kam auf
diesem Stück Autobahn von rechts eine Auffahrt, die ich
überqueren musste. Das war jedoch nur ein Problem, wenn ich am
Morgen um acht Uhr an der Uni sein musste. Dann war die Auffahrt
voll und es war schwer eine Lücke zu finden, durch die ich
huschen konnte.
    Selbst im Juli,
wenn es in Riad über 50 Grad Celsius heiß werden kann,
fuhr ich weiter mit dem Rad. Im März dachte ich, mal schauen,
wie lange du noch fahren kannst. Da waren es in der Mittagshitze
schon um die vierzig Grad. Im April dachte, na ja, eigentlich geht
es noch ganz gut. Wann der Moment wohl kommen wird, wenn du sagen
musst, das war es jetzt? Im Mai dachte ich, ui ui ui, lang kann das
nicht mehr gehen. Aber als es dann Juni und Juli wurde, wartete ich
immer noch darauf, dass der Moment kam. Ich war schon zu gut
austrainiert. Im August und September war ich zu einem langen Urlaub
in

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