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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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unterstützten
ihn lautstark. „Bei uns sprechen Frauen viel leiser und sie
senken den Blick, wenn sie mit Männern reden.“
    Tut mir leid, dass
ich mit meinen begrenzten schauspielerischen Möglichkeiten die
Machtverhältnisse der Geschlechter im Königreich nicht
korrekt dargestellt habe. Soll nicht wieder vorkommen.
    Am Anfang habe ich
mich gewundert, dass sich die Frauen das alles gefallen ließen.
Und das Erstaunen verließ mich nicht. Selbst nach meiner Zeit
im Königreich war ich noch nicht viel schlauer. Denn von
Angesicht zu Angesicht habe ich nur mit zwei saudischen Frauen
gesprochen. Mit beiden in der Redaktion der „Arab News“,
wo ich kurz arbeitete. Ansonsten nur mit Frauenrechtsaktivistinnen
am Telefon. Wie sollte ich wissen, was normale Frauen im Königreich
so dachten!
    An mir selbst habe
ich allerdings bemerkt, wie schnell mich das perfekte System
konditionierte. Sah ich, wie im Supermarkt, Vader in meiner Nähe
kreuzen, war ich vorsichtig. Ich hielt Abstand, um die Schwarzen
nicht zufällig zu rempeln. Ich fragte sie nichts und senkte den
Blick, damit sie mich nichts fragten. Die Jedis bedeuteten Gefahr.
Wenn ein Augenzwinkern, ein Lächeln, ein hingeworfener Satz zur
Orgie führen konnten, war es besser nicht zu gucken.
    Ich kam nicht oft
in die Versuchung, aber wenn es dazu kam, hob es meinen Blutdruck
und ließ mein Herz schneller schlagen, so als ob du mit 220
km/h auf der Autobahn fuhrst oder eine Giftschlange einfingst. Im
Königreich wurden Leute für die lächerlichsten
Vergehen ausgepeitscht oder einen Kopf kürzer gemacht. Das galt
auch für Expatriates aus westlichen Ländern. Neun Männer,
darunter einige Briten, wurden Anfang der zehner Jahre dieses
Jahrhunderts ein paar Jahre lang im berüchtigten Al Ha'ir
Gefängnis eingesperrt und gefoltert. Völlig zu Unrecht
behaupteten sie. Spaß ist anders. Hier war ernsthafte Vorsicht
angezeigt.
    Dieses Wissen lief
bei mir immer im Hinterkopf mit. Wenn Vader los war, war ich in
Alarmbereitschaft. Deshalb sah ich es mit äußerst
gemischten Gefühlen, dass einmal auf einem Inlandsflug der Sitz
neben mir lange frei blieb.
    Beim Einchecken tun
die Angestellten der Fluglinien ja, was sie können, um die
gröbsten Verwerfungen gleich im Vorfeld auszuschließen.
Die saudischen Familien tun den Rest: Vader setzt sich neben Vader.
Wenn der Mann dabei ist, setzt sich Vader am weitesten vom nächsten
Mann weg, das heißt in den allermeisten Fällen auf den
Fensterplatz.
    Am Eingang sah ich
einen einzelnen Vader ins Flugzeug stolpern. Abgehetzt und viel zu
spät zerrte sie einen kleinen Koffer hinter sich her –
und das in meine Richtung. In den Reihen um mich herum sah ich keine
freien Plätze. Die werden doch nicht...
    Sie hatten. Im Gang
vor mir machte sie halt, hob ihre Bordkarte noch einmal nah an die
Augen – es war ja wirklich kein anderer Sitz mehr frei –
trippelte dabei verlegen mit den Füßen, den Blick immer
hart am Teppich, wie ein in die Ecke gedrängtes Tier und machte
schließlich eine knappe Handbewegung, dass sie da hinten
hinwollte, auf den Fensterplatz neben mir.
    Altobelli! Die
wollen mich in Schwierigkeiten bringen.
    Ich stand auf,
sicher, dass hier ein Fehler vorlag. Dass sich gleich eine von den
Stewardessen einschalten würde. Die würden das
Missverständnis schnell klären. Einen Mann von irgendwo
herholen und den einzelnen Vader irgendwo anders sicher verstauen.
Wenn es keine Stewardess tat, würde es ein Tugendhafter tun,
einer der Familienväter hier, die über die Sitten wachten.
    Ich weiß
nicht, was mich damals geritten hat. Ich stand auf und lud den
Koffer des einzelnen Vader in die Gepäckablage. So haben schon
Unterhaltungen angefangen, die was weiß ich wohin geführt
haben. Dabei schaute ich den Vader aber nicht an, grinste vielmehr
in eine unbestimmte Richtung, generell Südost.
    Ich setzte mich
hin, aber ich ließ die Augen oben, überall nur nicht auf
Vader, gierig den Ratschlag von allen und jedem anzunehmen um mich
herum, an mir lag es nicht, ich war bereit, ja geradezu hilfreich
und bemüht, diese alle Regeln des guten Anstands verletzende
Situation so schnell wie möglich aus der Welt zu schaffen. Wenn
doch nur einer die Initiative übernahm.
    Vorne zerrten sie
schon an der Eingangsluke. Mein Gott, die werden doch nicht. Der
Lukenbügel schnappte zu. Schon rollten wir rückwärts
hinaus in die weite Welt des Königreiches. Vielleicht solltest
du dich einfach zurücklehnen. Du hast die Bordkarten ja

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