Im Königreich der Frommen (German Edition)
Na ja, in Ordnung, fast auf jeden Fall: nicht ab März 2013,
aber innerhalb der nächsten sieben Jahre, bekommen müssen.
Na ja, ist ja auch schon was. Rom wurde ja nicht nicht an einem Tag
erbaut.
Weil Frauen bis zum
Jahr 2001 auch nicht vor Gericht sprechen, nicht aussagen durften,
wurden sie auch regelmäßig um ihre Erbschaft betrogen.
Eine verschleierte Person vor Gericht auftreten zu lassen, deren
Identität zwei Männer bezeugten, war kein Problem. So war
ihr Anteil schnell weggegeben.
Im November 2012
wurde eine weitere Spezialität à la Königreich
bekannt: Die saudischen Behörden wurden aktiv, wenn ein Vader
doch einmal über die Grenze machte. Den gelben Brief ihres
Vormundes, der die Ausreise erlaubte, brauchten die Frauen zum
Reisen noch immer, aber wenn sie nun die Ausweiskontrolle
passierten, wurde zusätzlich eine SMS an ihren Vormund
geschickt. Damit er noch einmal an die Jedi-Evasion erinnert wurde.
Wegen des
Festhaltens am Vormundschaftssystem verstößt im übrigen
das Königreich gegen die UNO-Frauenrechtskonvention (CEDAW),
die es 2001 ratifiziert hat.
Zurück zu der
Kämpferin. Sie trägt die Abaya, jene pechschwarze, weite
Robe, die alle Frauen hier tragen; außerdem den schwarzen
Gesichtsschleier bis über die Nase hochgezogen und über
dem Kopf ein trapezförmiges Tuch in derselben Farbe. Aus dem
engen Schlitz, der frei bleibt, lugt sie aus dunklen, lebendigen
Augen.
Mit beiden Armen
fest am Tisch aufgestützt sitzt sie im Konferenzzimmer, den
Oberkörper leicht nach vorne gebeugt. Wenn sie sich
zurücklehnt, teilt sie den Raum vor sich mit flinken Bewegungen
ihrer Hände, wie das Frauen im Mittleren Osten gern tun. Dann
sieht man, dass sie auf den Nägeln der linken Hand Nagellack
trägt – die rechte Hand ist die gute Hand im Islam. Links
trägt sie auch einen großen Silberring und drückt
nervös auf einem Papiertaschentuch-Ball herum. Wenn sie noch
etwas nervöser ist, hat sie auch noch eine Gebetskette vor sich
liegen. Die nimmt sie dann in die rechte Hand und lässt sie,
jede Kugel einzeln, schnell durch die Finger gleiten.
Nennen wir sie
Adal. Ihren richtigen Namen will die Frau nicht nennen. Nicht mal
ihren Geburtsort, nur dass sie aus dem Süden des Königreiches
kommt und Mitte vierzig ist, will sie sagen.
Dass Frauen
außerhalb des Hauses ihren Namen nicht nennen, ist im
Königreich nichts Ungewöhnliches. Viele nennen sich „Um
X“ in der Öffentlichkeit, Mutter von X.
Außerdem
passiert hier gerade noch etwas, das es Adal verbietet, sich zu
identifizieren. Einen Familienstreit an die Öffentlichkeit zu
tragen, ist im Königreich eine schlimme Schande. Das ist jedoch
genau das, was Adal hier gerade tut. Dass sie überhaupt mit
einem Journalisten spricht, ist eigentlich nur so zu erklären,
dass sie „nicht mehr kann“, wie sie selbst sagt. So gibt
ihre Geschichte einen seltenen Einblick in die Probleme, die
saudische Frauen mit dem Vormundschaftssystem haben.
„ Weil wir
eine offenere Gesellschaft werden, sehen wir solche Fälle
ansteigen“, wird mir Hussein Al Scharif, Chef der NSHR in
Dschidda, nach dem Treffen mit Adal sagen. Auch die Zahlen scheinen
das zu bestätigen. Laut der Tageszeitung „Arab News“
steigt die Scheidungsrate in Saudi Arabien stetig an. Fast
zweiundsechzig Prozent der Ehen im Königreich werden
geschieden. Nach einer Schätzung wird es dort 2015 vier
Millionen unverheiratete Frauen über fünfunddreißig
Jahren geben.
Das ist Adals
Geschichte, wie sie sie selbst erzählt: Von ihrem Vater wurde
sie mit dreizehn Jahren in die Ehe mit einem Mann aus dem
Nachbardorf gegeben. Hat sie ihn vorher einmal gesehen? „Nein,
das ist bei uns nicht Tradition“, sagt sie und fährt
gleich fort, der Grund für ihre frühe Hochzeit sei allein
die Gier ihres Vaters gewesen. „Er wollte den Brautpreis für
mich.“ Später wird sie sagen, bei fast allen
Familienstreits gehe es im Grunde ums Geld, und die
NSHR-Mitarbeiterin, die im Raum dabei sitzt, wird zustimmend nicken.
Von Anfang an
jedoch, sagt Adal, habe es Probleme in ihrer Ehe gegeben. Ihr Mann
wollte ihr Vorschriften machen. Aber da sie, wie gesagt, eine
Kämpferin ist, beendete sie die Schule und studierte sogar.
Heute ist sie Lehrerin in einer staatlichen Mädchenschule in
Dschidda.
Aus dem Süden
des Landes zog sie mit ihrem Mann zusammen nach Dschidda, ans Rote
Meer. Erst arbeitete ihr Mann dort in einer Bank, heute ist er
Geschäftsmann. Zusammen hatten sie einen Sohn, dann
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