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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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eine
Tochter. Als ihre Tochter drei Jahre alt war, ließ Adal sich
jedoch scheiden. Das war vor zwanzig Jahren.
    Adals Probleme mit
ihrem Mann hörten damit jedoch nicht auf. Denn er ist der
Vormund ihrer Tochter und muss deshalb allen wichtigen
Entscheidungen zustimmen, die die Tochter betreffen.
    Eigentlich sollte
die Tochter heute mit ihr zu dem Interview kommen, sagt Adal. Aber
sie hatte Angst und blieb deshalb zuhause. Adal sagt, ihr
geschiedener Mann lasse das Haus überwachen und wäre zur
Polizei gegangen, hätte er gesehen, dass sie mit ihrer Tochter
zur NSHR geht. „Ich kann nichts dagegen machen“, sagt
sie und lässt die Gebetskette rotieren. „Wenn ich zur
Polizei gehe, sagen die mir: 'Wir können ihnen nicht helfen.
Kommen Sie mit ihrem Vormund wieder.'“
    Wenn Adal solche
Sätze sagt, hebt sie ihre ohnehin schon hohe Stimme. Sie
bekommt etwas schrilles, die Ohren plagendes und verlangt so Achtung
– so als wolle sie allein durch die Höhe schon sagen,
reiz mich nicht, sonst hebe ich mich wieder.
    Kurz nach der
Scheidung, fährt Adal fort, hat ihr Mann ihre damals einjährige
Tochter zu sich genommen. Adal musste vor Gericht gehen, um das
Sorgerecht für sie zu erstreiten. Nun will sie, dass ihre
Tochter im Ausland studiert. Sie ist gerade im zweiten Semester
ihres Medizinstudiums. Doch ihr geschiedener Mann will sie nicht
gehen lassen. Adal ist sicher, dass er sie verheiraten möchte.
Er ist der Vormund, er kann das entscheiden.
    „ Mein Ex-Mann
hat eine zweite Frau geheiratet. Ihre gemeinsame Tochter hat er mit
fünfzehn Jahren in die Ehe gegeben“, sagt Adal. Wieder
klackert die Gebetskette.
    Adal selbst würde
gerne nach Syrien reisen, um sich die Zähne richten zu lassen.
Dort seien die Ärzte billiger, sagt sie. Aber sie bekommt die
Zustimmung ihres Vormundes nicht.
    Ihr Vormund ist
nämlich ihr älterer Stiefbruder. Mit ihm streitet sie sich
seit Jahren vor Gericht um zwei Häuser, die Erbschaft ihres
Vaters. Die stehen in ihrem Heimatdorf im Süden des Landes.
„Mein Stiefbruder nimmt meine Anrufe nicht an. Er hilft mir
gar nicht“, sagt sie über ihn. „Wenn wir uns
treffen, beschimpft er mich. Ich stelle immer sicher, dass ich nicht
allein bin mit ihm in einem Raum, damit mir nichts zustoßen
kann.“
    Ein Gericht hat
Adal ihren Anteil an den Häusern in ihrem Heimatdorf
zugesprochen, aber bisher hat sie noch nicht darauf zugreifen
können. Den Richter hat sie auch gebeten, die Vormundschaft
ihres Bruders auf ihren Sohn zu übertragen. Der studiert
allerdings gerade in Indien. Der Richter hat das abgelehnt. Er wolle
erst den Erbschaftsstreit abarbeiten, habe er gesagt, dann werde er
über die Frage der Vormundschaft entscheiden.
    Die Wurzel des
ganzen Übels für Frauen in Saudi Arabien, sagt Adal, liegt
darin, dass Männer im Königreich nicht damit umgehen
könnten, dass Frauen ihr eigenes Geld verdienen. Sie sagt, seit
dem Tod ihres Vaters zahlt sie die Zinsen für die Hypothek des
Hauses, in dem ihr Stiefbruder nun wohnt. Und später wird sie
mit einem breiten Lachen erzählen, das man selbst durch den
Schleier sehen kann, dass sie ein eigenes Auto hat und einen Fahrer
und ein Dienstmädchen aus Indonesien – die saudischen
Statussymbole, ohne die hier nur sehr wenige Familien auskommen.
    Deshalb ärgert
sie sich so, dass sie für so viele Sachen die Zustimmung eines
Mannes braucht. „Das Vormundschaftssystem macht mir das Leben
zum Spießrutenlauf“, sagt sie. „Für jemanden
wie mich, die geschieden ist, die mit ihrem Stiefbruder Streit hat
und deren Sohn nicht im Land ist: Was soll ich machen?“ Klack,
klack, klack macht die Gebetskette.
    Das
Vormundschaftssystem will sie aber gar nicht ändern. „Ich
will nur eine Lösung für mein Problem“, sagt sie und
teilt wieder einmal die Luft in der Waagrechten. „Das ist
alles.“
    Vielleicht sollte
sie wieder heiraten. Das machen viele Frauen im Königreich, um
einen neuen Mann in ihr Leben und damit einen neuen, vielleicht
besseren Vormund zu bekommen. Das jedoch steht für Adal nicht
zur Diskussion. „Nach meiner ersten Ehe ist mir dieser Gedanke
nicht ein einziges Mal gekommen“, sagt sie, ohne überhaupt
das Ende der Frage abzuwarten. „Ich hatte viel zu viel Angst,
dass nur jemand anderes kommt, der über mein Leben bestimmt.“
Jetzt klackert nichts mehr. Die Gebetskette liegt unberührt vor
ihr auf dem Tisch.

WIE ES WOHL SO IST, MIT DARTH VADER ZU SCHLAFEN?
    Frauen und Männer,
die miteinander Unzucht treiben

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