Im Koenigreich der Traeume
schlotternden Mönch einen mitfühlenden Blick zu.
Sie behielten die atemberaubende Geschwindigkeit bis kurz vor Einbruch der Nacht bei; tagsüber legten sie nur kurze Pausen ein, damit sich die Pferde ein wenig ausruhen und Wasser saufen konnten. Als Royce Arik endlich das Zeichen gab haltzumachen und sie ein passendes Fleckchen auf einer kleinen Lichtung für das Nachtlager gefunden hatten, war Jenny ganz schwach vor Erschöpfung. Der Regen hatte schon früher aufgehört, und jetzt zeigte sich eine wäßrige Sonne, die plötzlich so viel Kraft entwickelt, daß Dunst aus den Tälern aufstieg. Jenny, die ohnehin schon in ihrem feuchten, schweren Samtkleid litt, fühlte sich dadurch noch unwohler.
Müde schlich sie aus den Büschen, die ihr als Sichtschutz gegen die Männer gedient hatten, während sie ihren persönlichen Bedürfnissen nachgekommen war. Sie fuhr mit den Fingern durch ihr hoffnungslos zerzaustes Haar, schleppte sich zum Feuer und warf einen mordlustigen Blick auf Royce, der vollkommen entspannt und erholt wirkte, als er sich hinkniete und Holz in die Flammen legte.
»Ich muß sagen«, erzählte sie seinem breiten Rücken, »wenn das das Leben ist, das du in den vergangenen Jahren geführt hast, dann läßt es wirklich viel zu wünschen übrig.« Jenny erwartete keine Antwort und bekam auch keine. Jetzt verstand sie, warum Tante Elinor, die so viele Jahre keine Ansprache und menschliche Gesellschaft gehabt hatte, so eifrig drauflosplapperte und jedem, der freiwillig oder gezwungenermaßen zuhörte, eine Menge erzählte. Nach einer Nacht und einem Tag mit dem eisern schweigenden Royce wollte sie nichts anderes mehr, als ihrem Zorn auf ihn Luft machen.
Jenny war so matt, daß sie sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Sie sank in der Nähe des Feuers auf einen feuchten Laubhaufen und war froh, endlich auf einer weichen Unterlage, die sie nicht hin und her schleuderte, sitzen zu können. Sie zog die Beine an und schlang die Arme um die Knie. »Andererseits«, setzte sie die einseitige Unterhaltung mit Royces Rücken fort, »ist es für dich vielleicht ein großes Vergnügen, durch die Wälder zu galoppieren, dich hinter Büschen zu verstecken und davonzulaufen, um dein Leben zu retten. Und wenn das langweilig wird, kannst du dich ja immer mal wieder mit einer Belagerung zerstreuen oder an der Entführung von hilflosen, unschuldigen Menschen ergötzen. Es ist eigentlich ein großartiges Dasein für einen Mann wie dich.«
Royce spähte über die Schulter, sah, wie sie mit angezogenen Knien dahockte und ihre feingeschwungenen Augenbrauen herausfordernd hochzog, und konnte nicht fassen, daß sie noch zu einer solchen Kühnheit fähig war. Nach allem, was sie in den letzten vierundzwanzig Stunden durchgemacht hatte, konnte Jennifer Merrick - nein, Jennifer Westmoreland, verbesserte er sich selbst -, auf einem nassen Laubhaufen sitzen und sich über ihn lustig machen.
Jenny hätte noch mehr zu sagen gehabt, aber der arme Bruder Gregory schwankte in diesem Moment aus dem Unterholz, und als er sie entdeckte, stolperte er auf sie zu und ließ sich neben ihr ins Laub sinken. Sobald er saß, rutschte er unbehaglich von einer Seite zur anderen und wimmerte. »Ich bin noch nicht oft geritten«, gestand er zerknirscht ein und stöhnte.
Jenny konnte sich vorstellen, daß er sich wie zerschlagen fühlen und Schmerzen im ganzen Körper haben mußte. Sie brachte ein mitleidiges Lächeln zustande. Ihr fiel ein, daß der bedauernswerte Mönch ein Gefangener des Mannes war, der allgemein für seine unaussprechliche Grausamkeit bekannt war, und sie versuchte, so gut sie konnte, seine Ängste zu zerstreuen. »Ich glaube nicht, daß er vorhat, Euch zu töten oder zu foltern«, sagte sie.
Der Mönch sah sie fragend an. »Dieses Pferd hat mich schon genug gefoltert - mehr kann ich ohnehin nicht aushalten«, bemerkte er trocken. »Aber ich denke auch nicht, daß ich umgebracht werde. Das wäre verwegen und töricht, und ich halte Euren Gemahl nicht für einen Dummkopf. Für leichtsinnig, ja, aber nicht für närrisch.«
»Dann fürchtet Ihr also nicht um Euer Leben?« erkundigte sich Jenny und betrachtete den Mönch mit neuem Respekt, als sie an ihre eigene Angst bei der ersten Begegnung mit dem Schwarzen Wolf dachte.
Bruder Gregory schüttelte den Kopf. »Aus den spärlichen Worten, die der blonde Riese mit mir gewechselt hat, schließe ich, daß Euer Gemahl mich mitgenommen hat, damit ich bei der Befragung, die
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