Im Koenigreich der Traeume
Armen, die ich besuche und mit denen ich meine Zeit verbringe, wohnen in Dörfern, und wo Dörfer sind, gibt es auch Burgen und Schlösser. Der Klatsch macht die Runde von den hohen Herrschaften über die Diener zu den Dorfbewohnern und in die kleinsten Hütten - besonders, wenn sich die Gerüchte um eine lebende Legende wie den Schwarzen Wolf ranken.«
»Also ist meine Schande allgemein bekannt«, hauchte Jenny trübsinnig.
»Es ist kein Geheimnis«, gab er zu. »Aber meiner Meinung nach ist es nicht Eure Schande. Ihr dürft Euch keine Vorwürfe machen, weil ...« Bruder Gregory sah ihren bekümmerten Gesichtsausdruck und bereute, daß er so frei gesprochen hatte. »Mein liebes Kind, ich bitte um Verzeihung. Statt mit Euch von der Vergebung der Sünden und Frieden zu reden, erzähle ich Euch etwas von Schande und verursache damit noch mehr Leid und Kummer.«
»Ihr braucht Euch nicht zu entschuldigen«, erwiderte Jenny mit bebender Stimme. »Immerhin seid auch Ihr gefangengenommen worden von diesem ... diesem Ungeheuer. Die Bestie hat Euch aus der Priorei geschleppt wie mich aus meinem Bett, und ...«
»Aber, aber«, beschwichtigte er sie, weil er spürte, daß sie zwischen Hysterie und totaler Erschöpfung hin und her schwankte. »Ich möchte nicht behaupten, daß er mich gefangengenommen hat. Das entspricht nicht ganz der Wahrheit. Er hat mich auch nicht aus der Priorei geschleppt. Dieser riesengroße Mann, der eine Streitaxt mit einem fast baumstarken Griff in seinem Gürtel trägt, hat mich eher eingeladen, mit ihm zu kommen. Als er polterte: >Kommt, es geschieht Euch nichts<, habe ich ohne Zögern seine Einladung angenommen.«
»Ich hasse Arik auch!« rief Jenny leise aus und beobachtete den blonden Hünen, der gerade mit zwei Kaninchen, denen er mit seiner Streitaxt die Köpfe abgeschlagen hatte, aus dem Wald kam.
»Tatsächlich?« fragte Bruder Gregory verdutzt nach. »Es ist nicht leicht, einen Mann zu hassen, der kaum etwas von sich gibt. Ist er immer so wortkarg?«
»Ja«, bestätigte Jenny bitter. »Er braucht einen n-nur« - die Tränen, gegen die sie so tapfer ankämpfte, erstickten ihre Stimme »mit d-diesen kalten blauen Augen anzusehen, und ... und man weiß, w-was er von einem will. M-man zögert nicht l-lang und tut, was er verlangt. Er ist auch ein Ungeheuer.«
Bruder Gregory legte den Arm um ihre Schulter, und Jenny, die mehr an Feindseligkeit als an Mitgefühl gewöhnt war -besonders in letzter Zeit -, vergrub ihr Gesicht in den Falten seines Ärmels.
»Ich hasse ihn«, weinte sie, ohne darauf zu achten, daß der Mönch warnend ihren Arm drückte. »Ich hasse ihn. Ich hasse ihn!«
Sie rang nach Fassung und rückte ein Stück von ihm ab. Mitten in der Bewegung fiel ihr Blick auf ein Paar schwarze Stiefel, die direkt vor ihr standen. Sie hob langsam den Kopf, sah Royces muskulöse Beine und Schenkel, seine schlanke Taille und die breite Brust, bis sie schließlich in seine leicht zusammengekniffenen Augen schaute. »Ich hasse dich«, sagte sie ihm direkt ins Gesicht.
Royce musterte sie teilnahmslos, dann wandte er sich an den Mönch. »Kümmert Ihr Euch um ein Schäfchen aus Eurer Herde, Bruder? Spielt Ihr den verständnisvollen Seelsorger? Predigt Ihr von Liebe und Vergebung?« erkundigte er sich spöttisch.
Zu Jennys Verblüffung nahm ihm Bruder Gregory diese beleidigende Bemerkung nicht übel - er machte eher einen beschämten Eindruck, als er ungeschickt und schwankend auf die Füße kam und bekannte: »Ich fürchte sehr, daß ich darin nicht viel erfolgreicher bin als beim Reiten. Lady Jennifer ist eins meiner ersten >Schäfchen<, müßt Ihr wissen. Ich diene Gott erst seit kurzer Zeit.«
»Stimmt, Ihr seid nicht sehr gut«, bestätigte Royce gelassen. »Sollte es nicht Euer Anliegen sein, Trost zu spenden, statt den Zorn noch mehr anzustacheln? Oder seid Ihr vielmehr darauf aus, Euch auf Kosten Eures Gönners die Taschen zu füllen und fett zu werden? Wenn das letztere der Fall sein sollte, wärt Ihr gut beraten, wenn Ihr meiner Frau Sanftmut und Gehorsam ihrem Ehemann gegenüber beibringen würdet, statt sie dazu zu ermutigen, mir ihren Haß ins Gesicht zu spucken.«
In diesem Augenblick hätte Jenny ihr Leben dafür gegeben, Bruder Benedict und nicht Bruder Gregory an ihrer Seite zu haben - der strenge Priester hätte Royce Westmoreland gehörig die Leviten gelesen und ihn mit einer seiner donnernden Tiraden in seine Schranken verwiesen, wie er es verdiente.
Doch auch in
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