Im Koenigreich der Traeume
ihr nun hoffnungslos verfilzt und mit Ästchen und Fichtennadeln bespickt war.
Ängstlich wandte sie sich an Royce. »Wer ist der Lord hier? Wem gehört eine Festung wie diese?«
Sein Blick löste sich von der Burg, die ihn fast ebensosehr faszinierte wie Jennifer, und sah sie mit amüsiert blitzenden Augen an. »Mir.«
»Dir?« rief sie aus. »Aber du sagtest doch, daß wir drei Tage bis Claymore brauchen würden, aber wir waren nur zwei Tage unterwegs.«
»Die Straßen waren besser passierbar, als ich dachte.«
Bestürzt darüber, daß sie seinen Vasallen bei ihrer ersten Begegnung in diesem schrecklichen Zustand gegenübertreten mußte, zuckte ihre Hand unbewußt zu ihrem zerzausten Haar -eine Geste, die stets die Sorge der Frauen über ihre Erscheinung deutlich machte.
Royce blieben ihre Bedenken nicht verborgen, und er zügelte umsichtig sein Pferd, um ihr die Gelegenheit zu geben, sich mit den Fingern zu kämmen. Er beobachtete sie lächelnd. Ihn belustigte ihre Sorge über ihre Erscheinung, denn sie sah bezaubernd aus mit der wirren Haarmähne, der cremeweißen Haut und den tiefblauen Augen, die nach den Tagen an der frischen Luft lebhaft glänzten. In diesem Augenblick beschloß er, als erste offizielle Tat als ihr Gemahl ein Verbot auszusprechen: Er wollte ihr untersagen, dieses wundervolle rotgoldene Haar je wieder unter Hauben, Tüchern oder Schleiern zu verstecken. Es gefiel ihm, wenn es ungezähmt über ihre Schultern flutete oder - noch viel besser - wenn es sich wie dicke, weiche Seide über ein Kissen ausbreitete ...
»Du hättest mich vorwarnen sollen«, beschwerte sich Jenny, während sie auf dem Sattel hin und her rutschte, in dem vergeblichen Bemühen, das hoffnungslos zerknitterte Samtkleid zu glätten. Die uniformierten Gefolgsleute kamen näher - offenbar war das die Ehrengarde, die den Herrn unter Fanfarenklängen in sein Heim eskortieren sollte. »Mir wäre gar nicht in den Sinn gekommen, daß dies dein Besitz sein könnte«, gestand sie aufgeregt ein. »Du hast vorhin eher den Eindruck gemacht, als hättest du die Festung nie vorher gesehen.«
»Ich habe sie auch noch nie gesehen, wenigstens nicht, seit sie so wie jetzt ist. Vor acht Jahren habe ich Architekten hierher gebeten. Wir haben zusammen Pläne entworfen für das Heim, in dem ich wohnen will, wenn ich mich aus dem Kriegshandwerk zurückziehe. Ich hatte schon lange vor, herzukommen und es mir anzusehen, aber Heinrich war immer der Meinung, ich würde irgendwo anders gebraucht. In gewisser Weise war das sogar ganz gut. Jetzt habe ich ein so großes Vermögen angehäuft, daß meine Söhne niemals gezwungen sind, Blut zu vergießen oder ihr Leben aufs Spiel zu setzen, wie ich es tun mußte.«
Jenny musterte ihn verwirrt. »Soll das heißen, daß du keine Kriege mehr führst?«
»Wenn ich Merrick angegriffen hätte, wäre das meine letzte Schlacht gewesen«, erwiderte er ironisch. »Das heißt, ich habe die letzte Burgmauer bezwungen, als ich dich aus deinem Zimmer holte.«
Jenny war so durcheinander nach dieser überraschenden Eröffnung, daß sie sich tatsächlich an dem absurden Gedanken ergötzte, er hätte diesen Entschluß ihretwegen gefaßt. Und ehe sie sich besinnen konnte, sprudelte sie hervor: »Wann hast du das beschlossen?«
»Vor vier Monaten«, erklärte er entschieden. »Wenn ich je wieder die Hand in einer Schlacht erhebe, dann nur um das, was mir gehört, gegen einen Angriff zu verteidigen.« Nach diesen Worten fiel er in Schweigen, und seine angespannten Gesichtsmuskeln lockerten sich allmählich. Schließlich lächelte er ein wenig und sagte: »Weißt du, worauf ich mich am meisten in meinem neuen Leben freue - abgesehen davon, daß ich nachts in einem weichen Bett schlafen kann?«
»Nein«, antwortete Jenny. Sie studierte sein feingeschnittenes Profil, und mit einemmal hatte sie das Gefühl, daß sie überhaupt nichts von ihm wußte. »Worauf freust du dich so sehr?«
»Auf gutes Essen«, bekannte er offen. »Nein, nicht einfach nur auf gutes Essen, sondern auf exzellente Speisen, dreimal am Tag serviert. Köstliche französische, würzige spanische und bekömmliche englische Gerichte, auf Platten angerichtet und perfekt zubereitet - kein halbrohes oder verkohltes Fleisch vom Spieß mehr! Ich möchte Nachspeisen essen - Gebäck und Törtchen und alle möglichen anderen Süßigkeiten.« Er sah sie an, als würde er sich über sich selbst lustig machen. »In der Nacht vor einer Schlacht denken die meisten
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