Im Koenigreich der Traeume
einen Moment schien ihn diese Entdeckung sprachlos zu machen. »Gütiger Gott, du hast Nonnen in unser Lager gebracht, damit die Männer sie als Huren benützen?«
»Nonnen ?«japste Stefan perplex.
»Huren« krächzte Jenny außer sich. Bestimmt war dieses Ungeheuer nicht so gottlos, sie seinen Männern als Huren zur Verfügung zu stellen, oder?
»Ich könnte dich wegen dieser Torheit töten, Stefan. Also bitte erkläre mir ...«
»Du wirst deine Meinung rasch ändern, wenn ich dir sage, wer diese beiden sind«, erwiderte Stefan und wandte seinen entsetzten Blick von Jennys grauem Habit und dem Kruzifix ab. »Mein lieber Bruder, vor dir steht« - verkündete er mit neuerwachtem Mut und unangemessener Fröhlichkeit - »Lady Jennifer, die geliebte Tochter und ältestes Kind von Lord Merrick.«
Royce starrte seinen jüngeren Bruder an. Erst als er nachdenklich Jennys schmutziges Gesicht musterte, entkrampften sich seine zu Fäusten geballten Hände. »Man hat dich entweder hinters Licht geführt, Stefan, oder die Gerüchte, die im ganzen Land kursieren, entbehren jeglicher Wahrheit - man erzählt sich, daß Merricks Tochter eine ausgesuchte Schönheit ist.«
»Nein, ich bin nicht getäuscht worden. Sie ist wirklich seine Tochter, ich selbst habe es aus ihrem eigenen Mund gehört.«
Royce hielt Jennys bebendes Kinn mit Daumen und Zeigefinger fest und betrachtete ihr mit Dreck verschmiertes Gesicht im spärlichen Licht des Feuers. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, und um seine Lippen spielte ein freudloses Lächeln. »Wie kann jemand diese Person eine Schönheit nennen?« erkundigte er sich mit beleidigendem Sarkasmus. »Das Juwel von Schottland?«
Er bemerkte, daß ihre Augen ärgerlich aufflackerten, als sie zurückzuckte und sich seinem Griff entwand, aber statt beeindruckt von ihrer Courage zu sein, wurde er wütend. Alles, was mit den Merricks in Zusammenhang stand, brachte ihn in Rage, und sein Rachedurst wurde übermächtig. Er umklammerte erneut das blasse, dreckige Gesicht und zog es zu sich heran. »Antwortet mir, Mylady!« befahl er in Unheil verheißendem Tonfall.
Brenna, die aus ihrer Erstarrung erwachte und nahe einem hysterischen Ausbruch war, glaubte, daß Jenny etwas zur Last gelegt wurde, wofür sie ganz allein verantwortlich war. Sie hielt sich an Jennys Gewand fest und zog sich mühsam hoch. Ihre Beine schienen sie nicht tragen zu wollen, weshalb sie sich ganz dicht an Jenny schmiegte, bis sie dastanden wie zusammengewachsene Zwillinge.
»Sie nennen nicht Jenny so!« hauchte sie heiser, als es schien, daß Jennys eisernes Schweigen diesen beängstigenden Riesen zu einer grauenvollen Strafmaßnahme herausfordern würde. »Sie ... sie sagen das über mich.«
»Und wer, zum Teufel, seid Ihr?« brauste er auf.
»Sie ist gar niemand«, warf Jenny hastig ein. Damit verstieß sie gegen das achte Gebot, aber sie hoffte, daß Brenna freikam, wenn man sie weiterhin für eine Nonne und nicht auch für ein Mitglied der Familie Merrick hielt. »Sie ist schlicht Schwester Brenna aus der Abtei von Belkirk.«
»Ist das wahr?« wollte Royce von Brenna wissen.
»Ja!« kreischte Jenny.
»Nein«, flüsterte Brenna kleinlaut.
Royce Westmoreland ballte wieder die Fäuste und schloß kurz die Augen. Ein Alptraum, dachte er - ein unglaublicher Alptraum. Nach einem Gewaltmarsch saß er jetzt hier mit seinen Männern fest - ohne Proviant und befestigter Unterkunft -und war am Ende seiner Geduld. Und jetzt noch das. Er schaffte es nicht einmal, eine vernünftige, ehrliche Antwort aus zwei verängstigten Weibern herauszuholen. Keine Frage - er war müde, vollkommen erschöpft, von drei Tagen und Nächten ohne Schlaf. Er wandte Brenna sein hageres Gesicht und den funkensprühenden Blick zu. »Falls Ihr die nächste Stunde überleben wollt«, drohte er, weil er gemerkt hatte, daß sie leichter einzuschüchtern war als die andere und ihm vermutlich nicht so schnell Lügen auftischen würde, »werdet Ihr mir jetzt sofort eine wahrheitsgemäße Antwort geben.« Sein Blick bohrte sich förmlich in Brennas haselnußbraune Augen. »Seid Ihr die Tochter von Lord Merrick oder nicht?«
Brenna schluckte schwer und versuchte etwas zu sagen, aber sie brachte kein Wort über die zitternden Lippen. Sie ließ niedergeschlagen den Kopf hängen und nickte schwach.
Zufriedengestellt schoß Royce der Wildkatze im Nonnengewand einen bösen Blick zu und befahl seinem Bruder: »Fessle sie und bring sie in ein Zelt. Ich brauche
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