Im Koenigreich der Traeume
selben Moment, in dem ihr das Tuch endlich von Kopf und Schultern rutschte, riß sie beide Fäuste hoch und schlug mit aller Kraft auf den finsteren, teuflischen Riesen ein, der vor ihr stand. Sie traf ihn am Kinn.
Brenna fiel erneut in Ohnmacht.
»Ungeheuer!« brüllte Jenny, »Barbar!« Sie holte erneut aus, aber diesmal wurde ihre Faust aufgefangen, mit schmerzhaftem Griff umklammert und hoch über ihrem Kopf festgehalten. »Teufel!« schrie sie, während sie sich heftig wand und einen gewaltigen Tritt gegen das Schienbein ihres Widersachers landen konnte. »Satansbrut. Zerstörer der Unschul...«
»Was, zur Hölle...« donnerte Royce Westmoreland. Er umfaßte die Taille seiner Angreiferin, hob sie mühelos hoch und hielt sie eine Armlänge von sich. Das war ein gewaltiger Fehler. Ihr Fuß schlug wieder aus, und der harte Stiefel traf ihn mit solcher Wucht in der Leistengegend, daß er sich beinahe krümmte.
»Du kleines Biest!« polterte er los, als er sie vor Überraschung, Schmerz und Wut losließ, aber gleich darauf grabschte er nach ihrem Schleier und einer dicken Haarsträhne, die sich darunter verbarg, und riß ihren Kopf zurück. »Ruhe!« brüllte er.
Selbst die Natur schien ihm zu gehorchen. Das Flehen der Gefangenen verstummte, die Geräusche der Waffen wurden leiser, und Schweigen senkte sich über die große Lichtung. Jennys Puls raste, und ihre Kopfhaut brannte. Sie kniff die Augen zu und wartete auf den Schlag seiner mächtigen Faust, der ihr sicher das Lebenslicht ausblasen würde.
Aber er kam nicht.
Halb ängstlich, halb neugierig öffnete sie langsam die Augen, und zum erstenmal sah sie wirklich sein Gesicht. Beim Anblick des teuflischen Ungeheuers, das da vor ihr aufragte, hätte sie beinahe einen Entsetzensschrei ausgestoßen. Er war riesig, gigantisch. Sein Haar war schwarz, und sein schwarzer Umhang bauschte sich hinter ihm im Wind, als hätte er ein Eigenleben. Das tanzende Licht des Feuers spiegelte sich auf seinen dunklen, adlerähnlichen Gesichtszügen und warf Schatten, die ihn wahrhaftig satanisch aussehen ließen. Die seltsamen Augen in seinem hageren bärtigen Gesicht blitzten wie geschmolzene Silberkugeln. Seine Schultern waren unglaublich breit, genau wie seine Brust, und mächtige Muskeln wölbten sich an seinen Armen. Ein Blick auf ihn, und Jenny wußte, daß er all der Dinge fähig war, die man ihm unterstellte.
Stirb tapfer. Stirb schnell!
Sie drehte den Kopf und bohrte ihre Zähne in sein massives Handgelenk.
Sie sah, wie sich seine funkelnden Augen vor Erstaunen weiteten, kurz bevor er seine Hand erhob und ihr eine so gewaltige Ohrfeige versetzte, daß ihr Kopf zur Seite schnellte und sie wieder auf die Knie sank. Instinktiv rollte sich Jenny zu einem Ball zusammen und wartete mit fest zusammengepreßten Lidern auf den tödlichen Hieb. Todesangst durchdrang sie bis in die letzte Faser ihres zitternden Körpers.
Die Stimme des Riesen war diesmal noch gräßlicher, weil er nicht brüllte, sondern die Wut unterdrückte und gefährlich zischte: »Was, zur Hölle, hast du getan?« Royce wandte sich an seinen jüngeren Bruder. »Haben wir nicht genug Probleme auch ohne dies? Die Männer sind erschöpft und hungrig, und du schleppst zwei Weibsbilder hier an, um ihre Unzufriedenheit noch zu schüren.«
Noch ehe sein Bruder etwas antworten konnte, drehte sich Royce um und befahl dem anderen Mann, der Stefan auf dem Ritt begleitet hatte, knapp und scharf, sie allein zu lassen, dann fiel sein Blick auf die beiden Frauen, die wie jämmerliche Häufchen zu seinen Füßen lagen - eine von ihnen war ohne Bewußtsein, die andere zitterte so heftig in ihrer zusammengekrümmten Stellung, daß es aussah, als würde sie unter krampfhaften Zuckungen leiden. Aus irgendeinem Grund brachte ihn das bebende Mädchen mehr auf als ihre ohnmächtige Leidensgenossin.
»Steh auf«, herrschte er Jenny an und stieß sie mit der Stiefelspitze an. »Vor einer Minute warst du doch noch so mutig -steh auf!«
Jenny streckte sich vorsichtig und stützte sich mit der Hand am Boden ab. Dann kämpfte sie sich ungeschickt auf die Füße und taumelte unsicher.
Royce beachtete sie kaum und wandte sich wieder an seinen Bruder. »Ich warte auf eine Antwort, Stefan.«
»Und ich gebe dir auch eine, wenn du aufhörst, mich anzubrüllen. Diese Frauen sind ...«
»Nonnen!« versetzte Royce schneidend, als sein Blick auf das schwere Kreuz, das um Jennys Hals hing, und auf die Haube und den Schleier fiel. Für
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