Im Koenigreich der Traeume
rücksichtsvoll und heldenhaft zu sein - nicht, wenn er damit seine Ehe gefährdete.
Er strich ihr über ihr seidenes Haar, starrte in diese vertrauensvollen Augen und fragte sich dabei, wieso er jedesmal kopflos wurde, wenn es um Jennifer ging.
»Jennifer«, sagte er ruhig, »ich bin nicht das Ungeheuer, für das du mich nach allem, was du erlebt hast, halten mußt. Es gab ein Komplott. Ich bitte dich, dir anzuhören, was ich zu sagen habe.«
Sie nickte, aber ihr Lächeln machte deutlich, daß sie ihn als Phantasten betrachtete.
»Als ich zur Merrick-Festung ritt, erwartete ich, daß entweder dein Vater oder ein anderer Clan versuchen würde, die Abmachung, die mir für unsere Hochzeit völlige Sicherheit in Schottland garantierte, zu brechen. Ich habe Männer an der Straße nach Merrick postiert und ihnen den Befehl gegeben, niemanden durchzulassen, ohne vorher eingehende Fragen zu stellen.«
»Und sie haben niemanden aufgespürt, der die Abmachung verletzen wollte«, stellte sie zuversichtlich fest.
»Ganz richtig«, gab Royce zu. »Aber sie hielten eine Äbtissin mit einer zwölfköpfigen Eskorte auf, die in ungewöhnlicher Hast nach Merrick ritten. Im Gegensatz zu deiner Überzeugung«, fügte er mit einem schiefen Lächeln hinzu, »sind weder meine Männer noch ich erpicht darauf, Leute der Kirche zu schikanieren. Andererseits mußten die Wachen meinen Anweisungen Folge leisten, deshalb stellten sie ein paar Fragen - unter dem Vorwand, sie hätten den Auftrag gehabt, die Äbtissin zu erwarten und nach Merrick zu begleiten. Sie erklärte freimütig, daß sie diese Reise nur unternommen hatte, um dich abzuholen.«
Jenny zog verwirrt die feingeschwungenen Augenbrauen hoch, und Royce bedauerte, daß er ihr die Wahrheit vor Augen halten mußte.
»Erzähl weiter«, forderte sie ihn auf.
»Die Äbtissin und ihre Truppe hatten Verspätung wegen heftiger Regenfälle im Norden - aus diesem Grund erfanden dein Vater und der >fromme< Bruder Benedict die absurde Geschichte von der vorübergehenden Unpäßlichkeit des Priesters, die es ihm unmöglich machte, am Abend die Trauung zu vollziehen. Nach der Aussage der Äbtissin sollte sich eine Lady Jennifer Merrick entschlossen haben, lieber hinter Klostermauern zu leben als mit ihrem ungewollten Ehemann. Dieser >Ehemann< wollte Lady Jennifers Wunsch, ihr Leben Gott zu weihen, keinesfalls akzeptieren, so sagte die Äbtissin, und deshalb war sie gebeten worden, dich mit Hilfe deines Vaters in aller Heimlichkeit von Merrick wegzubringen und aus den Klauen des ungeliebten Ehemannes zu befreien.
Dein Vater hat sich eine perfekte Rache ausgedacht: Da wir die Ehe bereits vor der Hochzeit vollzogen hatten, wäre eine Annullierung für mich nicht in Frage gekommen, genausowenig wie eine Scheidung. Ich hätte mich nie wieder verheiraten und keine legitimen Erben zeugen können, und damit wäre all mein Besitz - Claymore und alles, was ich habe - nach meinem Tod an die Krone gefallen.«
»Ich ... ich glaube dir nicht«, murmelte Jenny, aber dann setzte sie mit herzzerreißender Anständigkeit hinzu. »Aber ich glaube, daß du das alles für wahr hältst. Mein Vater hätte es niemals fertiggebracht, mich für den Rest meines Lebens einzusperren, ohne mich nicht wenigstens vorher zu fragen, ob mir ein Klosterleben recht wäre.«
»Er hatte es vor, und er hätte es auch getan.«
Sie schüttelte heftig und bestimmt den Kopf, bis Royce plötzlich klar wurde, daß sie den Gedanken an die Skrupellosigkeit ihres Vaters nicht ertragen konnte. »Mein Vater ... liebt mich. Er würde nie so etwas tun. Nicht einmal, um sich an dir zu rächen.«
Royce zuckte zusammen und fühlte sich mit einemmal wie der Barbar, den die Schotten in ihm sahen, weil er versuchte, ihr diese schöne Illusion zu nehmen. »Du hast wahrscheinlich recht. Ich ... es war ein Irrtum.«
Sie nickte. »Ja, ein Irrtum.« Dann schenkte sie ihm ein bezauberndes Lächeln. Royces Herzschlag beschleunigte sich bei diesem Lächeln, das so ganz anders war als sonst - es wirkte so vertrauensvoll und anerkennend, und es drückte noch etwas aus, das er nicht deuten konnte.
Jenny drehte sich um und ging zum Fenster, um den sternenfunkelnden Nachthimmel zu betrachten. Fackeln brannten auf den Zinnen, und sie erkannte die Silhouette einer Wache, die auf der Burgmauer patrouillierte, vor dem orangefarbenen Schein.
Ihre Gedanken beschäftigten sich jedoch weder mit den Sternen noch mit der Wache, nicht einmal mit ihrem Vater. Sie
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