Im Koenigreich der Traeume
Barrieren niederzureißen und ihren Bediensteten zu helfen, wie sie ihr halfen.
Sie suchte nach einem geeigneten Gesprächsstoff, und als ihr Blick auf die Badewanne in der Nische fiel, sagte sie: »Diese Wanne ist groß genug für vier oder fünf Personen. Bei uns zu Hause haben wir entweder im See gebadet, oder wir mußten uns mit einer kleinen Wanne begnügen, in der einem das Wasser nur bis zur Taille reichte.«
»Wir sind hier in England, Mylady«, entgegnete Agnes, während sie das Kleid aufhob, das Jenny am gestrigen Abend getragen hatte. Jenny warf ihr einen erschrockenen Blick zu, sie wußte nicht genau, ob sie tatsächlich einen überheblichen Unterton herausgehört hatte oder nicht.
»Gibt es in England in allen großen Häusern so enorme Badewannen und echte Kamine und ...« Sie beschrieb mit dem Arm einen großen Bogen - eine Geste, die den ganzen luxuriösen Raum mit den Samtdraperien und den dicken Teppichen auf dem Boden umfaßte. »... und solche Dinge?«
»Nein, Mylady. Aber Ihr befindet Euch in Claymore, und Sir Albert - der Haushofmeister und Verwalter, der diesen Posten schon beim alten Lord innehatte - hat Anweisungen, auch die neue Festung von Claymore so zu halten, als wäre sie das Schloß eines Königs. Das Silber wird jede Woche geputzt, und in den Vorhängen und Wandbehängen darf niemals auch nur ein Staubkörnchen sein, natürlich auch nicht auf den Böden. Und wenn irgend etwas kaputtgeht, wird es weggegeben und sofort durch etwas Neues ersetzt.«
»Es muß eine Menge Arbeit machen, das alles so in Ordnung zu halten«, meinte Jenny.
»Ja, aber der neue Herr hat Sir Albert genau gesagt, was er machen muß, und Sir Albert - auch wenn er ein strenger, stolzer Mann ist - tut immer, was ihm aufgetragen wird, egal wie er tief in seinem Inneren über den denkt, der ihm diese Befehle gibt.«
Diese letzte Bemerkung wurde mit einer solchen Bitterkeit und einem solchen Groll geäußert, daß Jenny ihren Ohren nicht traute. Sie runzelte nachdenklich die Stirn und nahm die Zofe genauer in Augenschein. »Agnes, was meinst du damit?«
In diesem Moment wurde Agnes offenbar klar, daß sie zu weit gegangen war; sie wurde aschfahl, zuckte erschrocken zurück und starrte Jennifer aus angstgeweiteten Augen an. »Ich meine gar nichts damit, Mylady. Wirklich, überhaupt nichts. Wir sind alle stolz darauf, das Heim für unseren neuen Herrn in Ordnung halten zu können, und wenn all seine Feinde einmal herkommen, was sie sicherlich tun werden, dann opfern wir mit Freuden unser ganzes Getreide, unsere Männer und Kinder in den Schlachten. Wir sind stolz darauf«, versicherte sie noch einmal verzweifelt, aber dennoch lag eine Spur von Unmut und Ärger in ihrer Stimme. »Wir sind ein gutes, loyales Volk und nehmen unserem neuen Herrn nicht übel, was er getan hat. Und wir hoffen natürlich, daß er uns auch nichts übel nimmt.«
»Agnes«, sagte Jenny sanft, »du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Wenn du mir etwas anvertraust, rede ich mit niemandem sonst darüber. Wie soll ich das verstehen >was er getan hat«
Das arme Mädchen zitterte so sehr, daß sie das Kleid fallen ließ, als Royce die Tür öffnete und den Kopf hereinstreckte, um Jennifer daran zu erinnern, daß es Zeit zum Mittagessen sei. Agnes grabschte nach dem Kleid und floh aus dem Zimmer. Erst riß sie die schwere Eichentür auf, die Royce gleich wieder geschlossen hatte, dann sah sie sich ängstlich um und schlug hastig ein Kreuz - diesmal sah Jenny es ganz genau.
Jenny hielt das Kaschmirkleid krampfhaft an sich gepreßt, starrte fassungslos auf die Tür und runzelte nachdenklich die Stirn.
In der großen Halle gab es kaum noch Spuren von dem gestrigen Fest. Die Tische, die im ganzen Saal verteilt gewesen waren, hatte man inzwischen wieder hinausgebracht. Genaugenommen waren die einzigen Überbleibsel des nächtlichen Gelages die paar Ritter, die noch auf den Bänken schliefen und laut schnarchten. Obwohl allgemein Betriebsamkeit herrschte, bemerkte Jenny mit einem gewissen Wohlwollen, daß sich die Diener auch noch langsam bewegten und daß mehr als nur einer Mühe hatte, dem trägen Tritt eines verärgerten Ritters auszuweichen, der nicht im Schlaf gestört werden wollte.
Royce sah auf, als Jennifer zum Tisch kam, und sprang mit der behenden, katzengleichen Anmut auf, die Jenny so sehr an ihm bewunderte.
»Guten Morgen«, sagte er leise und vertraulich, »ich hoffe, du hast gut geschlafen.«
»Sehr gut«, flüsterte Jenny
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