Im Koenigreich der Traeume
Überraschung stieß sie ihn nicht von sich. Sie schien viel eher gar nicht zu begreifen, was er ihr antat. Als er sich schließlich wieder von ihr löste, schaute sie ihn mit einem Ausdruck in ihren blauen Augen an, den er noch nie zuvor gesehen hatte.
»Was tust du dann?« hauchte sie noch einmal.
»Du hast mich schon verstanden«, erwiderte er kurz.
Eine schreckliche, verräterische Wärme durchströmte jede Faser von Jennys Körper, als sie in seine faszinierenden Augen sah. »Warum?« flüsterte sie. »Warum hast du ihm gesagt, daß du vorhättest, mich zu heiraten?«
»Zu dieser Zeit war ich nicht bei Verstand.«
»Meinetwegen?« Sie war so entzückt von dem, was sie soeben gehört hatte, daß sie drauflosredete, ohne vorher nachzudenken.
»Wegen deines wundervollen Körpers«, verbesserte er sie grausam, aber mit ihrem Herzen nahm Jenny noch etwas anderes wahr... ein anderes Geständnis, so köstlich, daß sie gar nicht darüber nachzudenken wagte. Es erklärte alles.
»Das wußte ich nicht«, sagte sie schlicht. »Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, daß du mich zu deiner Frau machen wolltest.«
»Hättest du es gewußt, dann hättest du deinen Stiefbruder wohl weggeschickt und wärst bei mir in Hardin geblieben, wie?« spottete er.
Ein größeres Risiko als jetzt war Jenny noch niemals eingegangen, denn sie sagte ihm die volle Wahrheit. »Wenn ich geahnt hätte, wie ich mich nach meiner Flucht fühlen würde, wäre ich vielleicht wirklich geblieben.« Sie merkte, daß er die Zähne aufeinander biß, und ohne zu überlegen, hob sie die Hand und berührte mit den Fingerspitzen seine angespannte Wange. »Bitte sieh mich nicht so an«, hauchte sie und schaute ihm tief in die Augen. »Ich belüge dich wirklich nicht.«
Ohne großen Erfolg versuchte er die unschuldige Berührung zu ignorieren - mit einemmal überflutete ihn die Erinnerung daran, wie sie seine Narben geküßt hatte. »Und ich vermute, du warst auch völlig ahnungslos, was den Plan deines Vaters betrifft«, sagte er tonlos.
»Ich hatte nicht vor, in ein Kloster zu gehen, ich wollte Merrick am nächsten Morgen mit dir verlassen. Ich hätte nie etwas so ... so Niederträchtiges getan.«
In seiner grenzenlosen Verzweiflung, weil sie ihn nach wie vor betrog, zog er sie erneut in seine Arme und küßte sie. Aber statt sich gegen diesen besitzergreifenden Kuß zu wehren, stellte sie sich auf die Zehenspitzen und hieß ihn willkommen. Ihre Hand glitt über seine Brust zum Hals und legte sich in seinen Nacken. Ihre geteilten Lippen drückten sich auf die seinen und bewegten sich zart. Royce registrierte hell erstaunt, daß sie ihn liebkoste, aber er war nicht imstande, ihr Einhalt zu gebieten. Er lockerte den schmerzhaften Griff um ihre Arme und strich mit rastloser, besänftigender Zärtlichkeit über ihren Rücken, dann umfaßte er ihren Hinterkopf und drückte sie fester an sich, um den Kuß zu vertiefen.
Und je mehr seine Leidenschaft wuchs, desto stärker wurde die schreckliche Ahnung, daß er sich getäuscht, sich in allem geirrt hatte. Er löste seinen Mund von dem ihren und hielt sie fest in seinen Armen, während er darauf wartete, daß sich sein Atem beruhigte. Sobald er fähig war, ein Wort herauszubringen, schob er Jenny ein wenig von sich und legte einen Finger unter ihr Kinn - er wollte - mußte - ihr in die Augen sehen, wenn er ihr die nächste Frage stellte. »Sieh mich an, Jennifer«, forderte er sanft.
Das tiefe Blau ihrer Augen war vollkommen frei von Tücke und Verrat, und Royce stellte eher fest, als daß er fragte: »Du hattest keine Ahnung von dem hinterlistigen Komplott deines Vaters, oder?«
»Es hat kein Komplott gegeben«, erklärte sie.
Royce neigte den Kopf nach hinten und schloß die Augen, um die allzu offensichtliche Wahrheit auszuschließen: Durch sein Verhalten war ihr nichts anderes übriggeblieben, als im Haus ihres Vaters zu bleiben und sich die bissigen Bemerkungen seiner Leute anzuhören, nach dieser Schmach hatte er sie aus ihrem Bett gerissen, zu der Eheschließung gezwungen und quer durch England geschleppt. Und um allem noch die Krone aufzusetzen, hatte er ihr großzügig >seine Vergebung< angeboten und vorgeschlagen >das Vergangene vergangen sein zu lassen<.
Royce hatte die Wahl - entweder er zerstörte ihre Illusionen über ihren Vater, oder er ließ sie in dem Glauben, daß ihr Ehemann ein gefühlloser Verrückter war. Royce entschloß sich für das erstere. Er war nicht in der Stimmung
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