Im Koenigreich der Traeume
verlegen, aber ihre Augen strahlten und blitzten, als sie neben ihm Platz nahm.
»Guten Morgen, meine Liebe«, zwitscherte Tante Elinor fröhlich und schnitt sich eine Scheibe von dem kalten Wild ab. »Du siehst heute richtig frisch und munter aus.«
»Guten Morgen, Tante Elinor«, erwiderte Jenny und bedachte sie mit einem beruhigenden Lächeln. Dann sah sie sich verwirrt am Tisch um, an dem nur schweigende Männer saßen: Sir Stefan, Sir Godfrey, Sir Lionel, Sir Eustace, Arik und Bruder Gregory. Trotz der eigenartigen Stille und gesenkten Blicke rief Jenny mit zaghaftem Lächeln: »Guten Morgen, alle zusammen.«
Fünf bleiche, mürrische Männergesichter wandten sich ihr zu- ihre Mienen drückten Schmerz oder Verlegenheit aus. »Guten Morgen, Mylady«, echoten sie höflich, aber drei von ihnen zuckten zusammen, und die anderen beiden bedeckten die Augen mit den Händen. Nur Arik wirkte wie sonst - sein Gesicht war ausdruckslos, und er sagte kein einziges Wort. Ohne auf ihn zu achten, musterte Jenny Bruder Gregory eingehender - er schien in keinem besseren Zustand als die anderen zu sein -, dann wandte sie sich an Royce. »Was ist mit allen los?« fragte sie.
Royce nahm sich eine Scheibe Weizenbrot und kaltes Fleisch, und die anderen taten es ihm ohne große Begeisterung nach. »Sie bezahlen den Preis für die nächtliche Orgie, die Trunkenheit und Dirn ... äh, eben die Trunkenheit«, verbesserte sich Royce grinsend.
Jenny sah Bruder Gregory erstaunt an, der gerade einen Alekrug an seine Lippen setzte. »Ihr auch, Bruder Gregory?« fragte sie, und der arme Kerl verschluckte sich vor Schreck.
»Ich habe nur dem ersteren Laster gefrönt, Mylady«, brachte er unter größten Anstrengungen hervor, »was das andere betrifft, bin ich vollkommen unschuldig.«
Jenny, die gar nicht begriffen hatte, was Royce eigentlich hatte sagen wollen, bevor er sich so hastig korrigierte, betrachtete den Priester verwirrt, aber Tante Elinor nutzte die allgemeine Sprachlosigkeit und flötete: »Ich habe ein derartiges Unwohlsein vorausgesehen, meine Liebe, und mich schon am frühen Morgen in die Küche begeben, um einen wirksamen Trunk zur Stärkung der Kräfte zuzubereiten. Aber mit Entsetzen mußte ich feststellen, daß nicht einmal ein Krümelchen Safran in diesem Haus zu finden ist.«
Bei dem Wort >Küche< spitzte Royce die Ohren, und zum erstenmal betrachtete er Tante Elinor etwas aufmerksamer. »Seid Ihr der Meinung, daß in meiner Küche Mangel herrscht? Ich meine, fehlen irgendwelche Dinge, die unbedingt nötig wären, um diese ...« Er deutete auf die ziemlich faden Reste vom gestrigen Abend. »... diese Gerichte schmackhafter zu machen?«
»Dessen könnt Ihr gewiß sein, Euer Gnaden«, erklärte sie ohne Umschweife. »Es war ein regelrechter Schock für mich, in einer prächtigen Burg wie dieser eine so erbärmlich ausgerüstete Küche vorzufinden. Es gibt Rosmarin und Thymian, aber keine Rosinen und keinen Ingwer - von Zimt, Oregano und Gewürznelken ganz zu schweigen. Und ich habe keine Nuß gesehen - nur eine einzige kümmerliche Kastanie! Nüsse sind eine großartige Zutat für raffinierte Saucen und köstliche Desserts ...«
Bei den Worten raffinierte Saucen und köstliche Desserts< rückte Tante Elinor augenblicklich in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses. Nur Arik blieb gleichgültig - ihm war offenbar ein langweiliger Gänsebraten - ob kalt oder warm - lieber als jede Sauce und süße Desserts.
»Fahrt fort«, forderte er die alte Dame auf, und aus seiner anfänglichen Skepsis erwuchs nach und nach eine gewisse Begeisterung. »Welche Speisen würdet Ihr zubereiten, vorausgesetzt, Euch stünden die geeigneten Zutaten zur Verfügung?«
»Mal überlegen«, murmelte Tante Elinor mit gerunzelter Stirn. »Es ist schon viele, viele Jahre her, seit ich das Regiment über die Küche in meiner eigenen kleinen Burg geführt habe, aber... o ja, damals habe ich oft Fleischpastete mit einer leckeren Kruste gemacht, und die Füllung zerging einem regelrecht auf der Zunge. Nehmen wir zum Beispiel mal das Huhn, das Ihr da eßt«, sagte sie zu Sir Godfrey - ihr gefiel die Rolle als kulinarische Expertin von Sekunde zu Sekunde besser. »Statt es am Spieß zu braten und es staubtrocken zu servieren, könnte man es in einem Weinsud schmoren, der mit Nelken, Muskatblüten, Schwarzkümmel und Pfeffer gewürzt wird. Man serviert das Ganze dann auf einer Platte, und in den Sud tunkt man das Brot ein - das schmeckt sehr gut.
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