Im Koenigreich der Traeume
Rittern und Tante Elinor. Offenbar drehte sich das Gespräch um Gawins Vernarrtheit in die schöne Lady Anne, und Royce atmete erleichtert auf, als er das sanfte Lächeln auf Jennys Lippen sah. Es war das erste Lächeln seit sieben Tagen.
Statt sich zu der Gruppe zu gesellen und das Risiko einzugehen, ihr die gute Laune zu verderben, lehnte sich Royce außer Sichtweite der anderen an den steinernen Bogen und signalisierte einem Diener, daß er ihm einen Krug mit Ale bringen sollte.
»Wenn ich ein Ritter wäre«, erklärte Gawin seiner Herrin, dabei beugte er sich ein wenig vor, so daß sie sein vor Sehnsucht nach Lady Anne glühendes Gesicht besser sehen konnte, »würde ich Roderick zu einem Kampf auf dem Turnier im Dorf herausfordern.«
»Ausgezeichnet«, witzelte Godfrey, »dann könnte Lady Anne über deinem Leichnam weinen, wenn Roderick mit dir fertig ist.«
»Roderick ist nicht stärker als ich!« protestierte Gawin vehement.
»Was ist das für ein Turnier?« wollte Jennifer wissen. Sie wollte den Jungen ein wenig von seinem Widerwillen gegen Roderick ablenken.
»Im Tal finden jedes Jahr nach der Getreideernte Turnierspiele statt. Ritter kommen von nah und fern, um daran teilzunehmen.«
»Oh, ich verstehe«, sagte sie, als wäre ihr das alles neu, aber in Wirklichkeit hatte sie von den aufgeregten und begeisterten Dienern und Mädchen schon viel von diesem Turnier gehört. »Und werdet Ihr alle auch Euer Geschick beweisen?«
»Ja«, antwortete Stefan Westmoreland, und da er die unausgesprochene Frage erahnte, fügte er ruhig hinzu: »Royce ist nicht mit von der Partie. Er hält Turniere für eine sinnlose Zeitverschwendung.«
Jennys Herz schlug schneller, als sie Royces Namen hörte. Selbst jetzt noch, nach allem, was er ihr angetan hatte, verzehrte sie sich in Sehnsucht nach ihm und konnte den Anblick seiner rauhen Gesichtszüge kaum eitragen. In der letzten Nacht, als sie bis zum Morgengrauen wachgelegen hatte, war sie drauf und dran gewesen, zu ihm zu gehen und ihn zu bitten, den Schmerz in ihrem Herzen zu lindem. Wie töricht, sich gerade Heilung von der Person zu erhoffen, die diesen Schmerz verursacht hatte! Sogar heute beim Abendessen, als sein Ärmel zufällig ihren Arm gestreift hatte, wäre sie am liebsten in seine Arme gesunken, um sich an seiner Brust auszuweinen.
Eustace riß Jenny aus ihren trüben Gedanken. »Vielleicht könnten dir Lady Jennifer oder Lady Elinor einen Rat geben«, sagte er zu Gawin, »wie du auf eine etwas weniger waghalsige Art Lady Annes Herz für dich gewinnen kannst. Ein Duell mit Roderick wäre bestimmt nicht die richtige Methode, was meint Ihr?« Er wandte sich mit hochgezogenen Augenbrauen an Jennifer.
»Na ja, laßt mich nachdenken«, erwiderte Jenny. Sie war froh, sich auf etwas anderes als den Tod ihres Bruders und den Verrat ihres Mannes konzentrieren zu können. »Tante Elinor, könntest du Gawin einen Rat geben?«
Tante Elinor legte ihren Stickrahmen weg, neigte den Kopf zur Seite und rief hilfsbereit: »Ich weiß etwas! Zu meiner Zeit gab es einen Brauch, der schon von altersher Bestand hatte, aber jetzt offenbar in Vergessenheit geraten ist. Als junges Mädchen war ich äußerst beeindruckt davon.«
»Wirklich. Ma’am?« hakte Gawin nach. »Was ist das für ein Brauch, was müßte ich tun?«
»Nun«, begann sie und lächelte bei der Erinnerung an die alten Zeiten, »du müßtest zum Tor von Lady Annes Schloß reiten und ausrufen, daß sie die hübscheste Jungfer im ganzen Land ist. Du mußt so laut schreien, daß dich alle hören können.«
»Was sollte das für einen Sinn haben?« fragte Gawin verblüfft.
»Dann«, erklärte Tante Elinor, »mußt du jeden Ritter aus dem Schloß, der dir nicht zustimmt, herausfordern, sich sofort zu zeigen und sich dir zu stellen. Natürlich würden einige deine Herausforderung annehmen - um ihre Ladies nicht zu kränken. Und«, schloß sie munter, »die Ritter, die du bezwingst, müssen dann zu Lady Anne gehen, sich vor sie hinknien und sagen: >Ich unterwerfe mich Eurer Anmut und Schönheit<«
»O Tante Elinor«, kicherte Jenny, »hat man das in deiner Jugend tatsächlich gemacht?«
»Aber natürlich! Es war eine ausgesprochen hübsche Sitte und eine Tradition, die sich bis vor gar nicht allzu langer Zeit gehalten hat.«
»Und ich bezweifle nicht«, sagte Stefan Westmoreland galant, »daß eine Menge Ritter von Euren starken Verehrern bezwungen wurden, Mylady, und demütig vor euch auf die Knie gefallen
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