Im Koenigreich der Traeume
gaben.«
»Wenn Ihr erlaubt, ziehe ich mich jetzt zurück«, sagte Jenny freundlich und stand auf.
Royce entschloß sich abrupt, gleich allen die Neuigkeiten zu berichten, statt sie Jennifer vorzuenthalten. »Jennifer«, sagte er im selben höflichen Ton, den sie angeschlagen hatte, »die Turnierspiele, die jedes Jahr hier stattfinden, entwickeln sich in diesem Jahr zu einem großen Rittertreffen mit ernstem Hintergrund. Um dem Waffenstillstand, der zwischen unsren beiden Ländern herrscht, mehr Nachdruck zu verleihen und zu zeigen, daß wir friedlich miteinander umgehen können, haben Heinrich und Jakob beschlossen, die Schotten hierher einzuladen, damit sie sich nicht nur im Lanzenstechen und anderen Fertigkeiten Mann gegen Mann, sondern auch bei einem Mannschaftsturnier mit uns messen können.«
Ein Mannschaftsturnier war eine nachgeahmte Schlacht, in der die Gegner von beiden Seiten des Turnierplatzes aufeinander zuritten und echte Waffen trugen, wenn auch der Waffentyp und die Größe genau festgelegt waren. Selbst ohne Feindseligkeiten zwischen den Kämpfern waren diese Turniere so gefährlich, daß sie vierhundert Jahre zuvor vom Papst strikt verboten worden waren, und dieses Verbot hatte zwei Jahrhunderte Gültigkeit gehabt.
»Heute kam ein Bote von König Heinrich in Claymore an, der bestätigt hat, daß die Einladung angenommen wurde und die Spiele auf die festgelegte Weise stattfinden«, fuhr Royce fort. Als Jenny ihn immer noch gleichmütig ansah, fügte er hinzu: »Die beiden Könige habe sich entschieden, dieses örtliche Turnier in einem größeren Rahmen zu gestalten, als sie über den Waffenstillstand und die Friedensvereinbarungen Einigkeit erzielt hatten. Und ich werde auch mitreiten.«
Erst jetzt schien sich Jenny der vollen Bedeutung dessen, was er ihnen klarzumachen versuchte, bewußt zu werden. Sie sah ihn mit Todesverachtung an, kehrte ihm den Rücken zu und verließ die Halle. Royce ging ihr in seiner grenzenlosen Verzweiflung nach und holte sie ein, als sie vor ihrem Zimmer angekommen war.
Er ließ ihr den Vortritt, folgte ihr ins Zimmer und machte die Tür hinter sich zu. Vor seinen Rittern hatte sie geschwiegen, aber jetzt zeigte sie eine Bitterkeit, die sogar noch die Trauer über Williams Tod übertraf. »Ich vermute, daß die Ritter aus dem Süden Schottlands an diesem kleinen Spiel teilnehmen, habe ich recht?«
»Ja«, antwortete er kurz angebunden.
»Und es ist kein harmloses Turnier mehr, oder? Es ist ein richtiges Rittertreffen, bei dem beide Seiten ernst machen. Und natürlich ist das der Grund, weshalb du dich entschlossen hast mitzureiten.«
»Ich reite mit, weil mir von höchster Stelle befohlen wurde, an dem Turnier teilzunehmen.«
Plötzlich fiel die Wut von ihr ab, und ihr Gesicht wurde aschfahl. Sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe noch einen Bruder - er ist mir bei weitem nicht so lieb, wie es William war, aber er wird dir wenigstens größere Anstrengungen abverlangen, bevor du ihn tötest. Er kann sich eher mit deinen Kräften messen.« Ihr Kinn zitterte, und in ihren Augen schimmerten Tränen. »Und dann ist da ja noch mein Vater - er ist zwar viel älter als du, aber ein sehr erfahrener und kampferprobter Ritter. Sein Tod wird dir das größte Vergnügen bereiten. Ich ... hoffe«, fügte sie stockend hinzu, »du hast wenigstens das Herz - oder es ist dir zumindest möglich«, verbesserte sie sich, um deutlich zu machen, daß sie ihn ohnehin für vollkommen herzlos hielt, »meine Schwester Brenna am Leben zu lassen. Sie ist alles, was ich noch habe.«
Er wußte, daß sie seine Berührung verabscheute und kaum ertrug, und dennoch konnte er sich nicht zurückhalten. Er nahm sie fest in die Arme, und als sie erstarrte, sich aber nicht wehrte, legte er die Hand um ihren Hinterkopf und drückte sie an seine Brust. Ihr wundervolles Haar fühlte sich wie Seide an.
»Jenny, bitte, bitte, tu dir das nicht an«, sagte er mit rauher Stimme. »Du darfst dich nicht so in deinem Leid verschließen. Laß, um Gottes willen, deinen Tränen freien Lauf. Weine. Schrei mich an, aber sieh mich nicht an, als wäre ich ein gemeiner Mörder.«
Plötzlich wußte er es.
Er wußte ganz genau, warum er sie so sehr liebte, und wann das zarte Gefühl in ihm erwacht war. Er sah die Lichtung und einen Engel in Männerkleidung vor sich, der zu ihm aufsah und leise sagte: Ich denke, daß all die Legenden über Euch falsch sind. All die Dinge, die man von Euch sagt, sind nicht
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