Im Koenigreich der Traeume
Nur der Hüne Arik zeigte keinerlei Bewegung und richtete seinen stählernen Blick, ohne mit der Wimper zu zucken, auf Graverley.
Sogar der konnte nicht verbergen, wie schockiert er über diesen dreisten Ungehorsam war, fixierte Royce aus schmalen Augen und erwiderte ungläubig: »Heißt das, Ihr zweifelt daran, daß ich die Botschaft des Königs korrekt übermittelt habe, oder mißachtet Ihr tatsächlich den höchsten Befehl?«
»Ich weise entschieden Euren Vorwurf zurück«, wich Royce der verhängnisvollen Frage aus, »ein barbarischer Schlächter zu sein.«
»Ich wußte gar nicht, daß Ihr in diesem Punkt so empfindlich seid, Claymore«, log Graverley.
Royce versuchte Zeit zu gewinnen und sagte: »Ihr müßtet eigentlich am besten wissen, daß alle Gefangenen zuerst dem Ministerrat des Königs vorgeführt werden. Dort wird über ihr weiteres Schicksal entschieden.«
»Genug der Heuchelei«, knurrte Graverley. »Wollt Ihr den Befehl des Königs befolgen oder nicht?«
In der schrecklich kurzen Frist, die ihm das ungnädige Schicksal und der schwer einzuschätzende König von England gewährte, überlegte Royce fieberhaft - er dachte flüchtig daran, wie verrückt es wäre, Lady Jennifer Merrick zur Frau zu nehmen - unendlich viele Gründe sprachen dagegen, daß er sie heiratete, aber ihm fielen auch einige ein, warum er es dennoch tun sollte.
Nach all den glorreichen Jahren auf den Schlachtfeldern im ganzen Kontinent hatte ihn augenscheinlich eine reizende Siebzehnjährige in seinem eigenen Bett besiegt - ein Mädchen mit mehr Witz und Courage als zehn andere Frauen zusammengenommen. Er brachte es nicht übers Herz, sie einfach so nach Hause zu schicken.
Sie hatte sich wie eine Tigerin gegen ihn gewehrt, sich ihm aber unterworfen wie ein Engel. Sie hatte versucht, ihn niederzustechen - und Küsse auf seine Narben gehaucht; sie hatte alle Decken im Lager zerschnitten und seine Hemdsärmel zugenäht, doch vor wenigen Minuten noch hatte sie ihn mit einer so sehnsüchtigen Glut geküßt, daß er vor Verlangen fast vergangen wäre. Ihr strahlendes Lächeln erwärmte sein Herz, und ihr Lachen war so ansteckend, daß er unwillkürlich mit einfallen mußte. Und was er am meisten an ihr schätzte: ihre Aufrichtigkeit.
All diese Dinge spukten in seinem Hinterkopf, aber er vermied es, sich darauf zu konzentrieren oder an das Wort >Liebe< auch nur zu denken, denn das hätte bedeutet, daß er nicht nur körperlich von ihr angezogen wurde. Diese Möglichkeit konnte er einfach nicht akzeptieren. Mit derselben unvoreingenommenen, blitzschnellen Logik, die ihm half, Entscheidungen im Schlachtgetümmel zu treffen, schätzte er Jennys Situation ein: Demnach zu schließen, wie sich ihr Vater und der Merrick-Clan bisher ihr gegenüber verhalten hatten, würde sie zu Hause sicher wie eine Verräterin und nicht wie ein Opfer aufgenommen werden. Sie hatte das Bett mit ihrem Feind geteilt; und - ob sie schon sein Kind unter dem Herzen trug oder nicht - sie würde in jedem Fall den Rest ihres Lebens abgeschlossen von aller Welt hinter hohen Klostermauern verbringen und sich ein Königreich erträumen, in dem sie geachtet und geliebt wurde -ein Reich, das es in Wirklichkeit nie geben würde.
Nur wegen dieser Tatsachen und dem Wissen, daß sie ihm im Bett mehr Freude bereitete als jede andere Frau, gestattete sich Royce, eine Entscheidung zu fällen. Sobald seine weitere Vorgehensweise feststand, handelte er mit der für ihn typischen Eile und Entschlossenheit. Ihm war bewußt, daß er sich ein paar Minuten Zeit verschaffen mußte, in denen er mit Jenny allein sein und ihr alles erklären konnte bevor er blindlings auf Graverleys Angebot einging, deshalb zwang er sich zu einem Lächeln und sagte zu seinem Widersacher: »Während einer meiner Männer Lady Jennifer holt und zu uns bringt, sollten wir den Fehdehandschuh weglegen und eine kleine Erfrischung zu uns nehmen.« Mit einer Geste deutete er auf den Tisch, auf den die Diener bereits volle Tabletts mit all den Dingen stellten, die sie in der Eile in der Küche hatten auftreiben können.
Graverleys Augenbrauen zogen sich skeptisch zusammen, und Royce warf einen Blick auf Heinrichs Soldaten, von denen einige an seiner Seite in Kriegen gekämpft hatten, und fragte sich, ob sie bald eine blutige Auseinandersetzung gegen seine Männer ausfechten mußten. Er wandte sich wieder an Graverley und brummte: »Also?« Da er wußte, daß er seinen Gegner, selbst wenn Jennifer zustimmte, bei
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