Im Koenigreich der Traeume
wissen, daß sie die fünftausend Männer, die rund um die Festung lagerten, ziemlich schnell aufspüren würden, wenn sie versuchte zu fliehen. Zudem konnte er die Wachen auf der Burgmauer darauf hinweisen, daß sie ein Auge auf sie haben sollten.
Er hatte noch den Geschmack ihres Kusses auf den Lippen und rief sich ins Gedächtnis, daß sie vor Tagen auch nicht versucht hatte, aus dem Lager zu entkommen, als er auf sie zuging. »Jennifer, wenn ich dir gestatte, hier draußen zu bleiben, kann ich mich dann darauf verlassen, daß du nicht von diesem Ort weggehst?« fragte er ernst.
Noch immer zweifelte er an der Klugheit seines Entschlusses, doch ihr freudestrahlendes Gesicht war Lohn genug für seine Großzügigkeit.
»Ja!« rief sie fassungslos über diese unerwartet glückliche Fügung.
Das Lächeln, das sich auf seinem schönen, bronzefarbenen Gesicht ausbreitete, verlieh ihm beinahe etwas Jungenhaftes. »Ich bleibe nicht lange weg«, versprach er.
Sie sah ihm und Arik nach und merkte sich jede Einzelheit seines Äußeren ganz genau - seine breiten Schultern unter der braunen Jacke, den braunen Gürtel, der seine schmale Taille umspannte, die Hose, die seine Muskeln an den Schenkeln betonte, und die hohen Stiefel. Auf halbem Weg blieb er noch einmal stehen und drehte sich zu ihr um. Er hob den Kopf und musterte mit zusammengezogenen Augenbrauen den Waldrand, als würde er die Gefahr erahnen, die dort lauerte. Jenny erschrak. Und damit er nicht auf die Idee kam, umzukehren, tat sie das erste, was ihr in den Sinn kam: Sie hob die Hand, winkte, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und lächelte, dann berührte sie mit den Fingern ihre Lippen - eine unbeabsichtigte Geste, um einen Entsetzensschrei zu unterdrücken. Auf Royce machte es jedoch den Eindruck, als würde sie ihm einen Kuß zuhauchen. Mit einem erfreuten Grinsen hob er die Hand, um sich von Jennifer zu verabschieden. Arik an seiner Seite sagte etwas, und Royce wandte sich ihm zu, kehrte Jennifer und dem Wald den Rücken und ging mit raschen Schritten den Hügel hinunter, aber den Kuß und seine eigene freudige Reaktion darauf konnte er nicht so schnell vergessen.
»Jennifer!« Williams leise, drängende Stimme versetzte Jenny in äußerste Spannung. Am liebsten wäre sie sofort zu ihm gelaufen, aber sie blieb vorsichtig und huschte nicht zu den hinter ihr stehenden Bäumen - nicht ehe der Earl durch den versteckten Eingang in der Burgmauer von Hardin verschwunden war. Sobald er sich außer Sichtweite befand, wirbelte sie herum und wäre fast gestolpert, als sie hastig den kleinen Abhang hinaufrannte und sich hastig einen Weg durch das Gebüsch bahnte. Dabei sah sie sich ständig nach ihren Rettern um.
»William, wo...?« begann sie. Im nächsten Augenblick unterdrückte sie einen Schrei, als starke, sehnige Arme sie von hinten umfaßten, hochhoben und sie tiefer unter die alten Eichen trugen.
»Jennifer«, flüsterte William rauh - sein geliebtes Gesicht war nur wenige Zentimeter von dem ihren entfernt. Seine Miene drückte Mitleid und Besorgnis aus. »Mein armes Mädchen«, raunte er und betrachtete sie forschend. Dann erinnerte er sich an den Kuß, den er mit angesehen hatte, und meinte finster: »Er hat dich gezwungen, seine Geliebte zu werden, habe ich recht?«
»Ich ... ich erkläre dir das später. Wir müssen uns beeilen«, beschwor sie ihn in dem Bestreben, ihre Clansmänner von hier wegzubringen, bevor es zu einem Blutbad kommen konnte. »Brenna ist bereits auf dem Heimweg. Wo sind unsere Leute und Vater?«
»Vater ist in Merrick. Wir sind nur zu sechst gekommen«, berichtete William.
»Sechs!« rief Jenny. Sie strauchelte, als sich ihr Schuh in einer Wurzel verfing, hielt sich aber auf den Beinen und lief schneller, um mit William Schritt zu halten.
Er nickte. »Ich dachte, wir hätten eine größere Chance, dich zu befreien, wenn wir in aller Heimlichkeit und nicht mit einer ganzen Armee anrücken.«
Graverley stand mitten in der Halle, als Royce eintraf, und schaute sich eingehend in der Festung Hardin um. Der Verdruß und die Gier waren ihm deutlich an der Nasenspitze anzusehen. Als Berater des Königs und wichtigstes Mitglied des mächtigen Kronrates hatte er zwar großen Einfluß, aber gerade durch diese hohe Position blieben ihm die Titel und Besitztümer versagt, nach denen es ihn so offensichtlich gelüstete.
Heinrich hatte sofort nach seiner Thronbesteigung geeignete Maßnahmen ergriffen, um dem Schicksal, das seinen
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