Im Koenigreich der Traeume
Strang, die Streckbank oder dadurch, gevierteilt zu werden. Zumindest konnte man ihm alle Ländereien und Besitztümer wegnehmen, die er sich erwarb, indem er immer wieder sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte. Es gab noch unzählige andere ähnlich unerfreuliche Bestrafungen, die ihm drohten, und obwohl er sich vehement dagegen wehrte, ging Royce jede einzelne von ihnen durch den Kopf, als er Graverley gegenüber am Tisch saß. Alles hielt er für möglich, nur nicht, daß Jennifer ihn hingebungsvoll geküßt hatte, während sie eiskalt plante zu fliehen, sobald er ihr den Rücken kehrte.
»Wieso habt Ihr sie freigegeben, wenn sie eine solche Schönheit ist?«
»Das habe ich Euch bereits erzählt«, erwiderte Royce knapp, »sie war krank.« In dem Bestreben, die Unterhaltung mit Graverley zu beenden, gab Royce vor, entsetzlich hungrig zu sein. Er nahm sich eine dicke Brotscheibe und biß herzhaft hinein. Sein Magen protestierte heftig - das Brot war mit ranzigem Gänsefleisch belegt und durchweicht mit ekelhaftem Fett.
Fünfundzwanzig Minuten später hatte Royce die größte Mühe, seine wachsende Nervosität vor seinem ungebetenen Gast zu verbergen. Arik und Godfrey mußten Jennifer die Nachricht längst überbracht haben, doch offensichtlich sträubte sie sich, mit den Rittern in die Festung zu gehen. Wahrscheinlich versuchten die beiden, ihr im Guten klarzumachen, worum es ging, deshalb verspäteten sie sich. Aber sträubte sie sich tatsächlich? Und wenn ja, würde sich Arik dann auf langwierige Diskussionen einlassen? Für einen entsetzlichen Moment stellte sich Royce vor, daß sein getreuer Ritter körperliche Gewalt anwandte und Jennifer zwang, sich seinen Wünschen zu fügen. Arik könnte Jennifers Arm mit einem einzigen Griff zerbrechen wie einen dürren Ast. Bei diesem Gedanken zitterten Royces Hände.
Graverley sah ihn über die roh behauene Tischplatte hinweg an und machte keinen Hehl mehr aus seinem Verdacht, daß ihn sein Gastgeber an der Nase herumführen wollte. Plötzlich sprang er auf die Füße. »Ich habe lange genug gewartet!« rief er scharf und funkelte Royce, der sich auch langsam erhob, böse an. »Ihr haltet mich zum Narren, Westmoreland, das ist nicht zu übersehen. Ihr habt Eure Männer nicht weggeschickt, um Lady Jennifer zu holen. Wenn sie noch hier ist, dann haltet Ihr sie versteckt. Falls das zutrifft, Westmoreland, seid Ihr ein noch größerer Dummkopf, als ich dachte.«
Er deutete auf Royce, drehte sich nach einem der Soldaten um und befahl: »Ergreift den Mann und durchsucht die Burg nach dieser Merrick-Frau. Kehrt das Oberste zu unterst, reißt Stein für Stein aus den Wänden, falls es nötig wird, aber bringt sie mir her. Wenn ich mich nicht sehr irre, wurden beide Frauen schon vor Tagen ermordet. Befragt seine Männer und setzt die Schwerter ein, wenn sonst nichts aus ihnen herauszuholen ist.«
Zwei von König Heinrichs Rittern traten in dem Irrglauben vor, sie würden, als Abgesandte des Regenten, nicht auf Widerstand stoßen, wenn sie Royce festnahmen. In dem Augenblick, in dem sie sich rührten, drängten sich jedoch Royces Männer vor, schirmten ihren Herrn vor der drohenden Gefahr ab und legten angriffslustig die Hände an die Griffe ihrer Schwerter.
Handgreiflichkeiten zwischen den königlichen Soldaten und seinen eigenen Rittern war das letzte, was Royce wollte - besonders jetzt konnte er eine solche Auseinandersetzung ganz und gar nicht brauchen.
»Halt!« bellte er.
Seine Ritter konnten des Verrats beschuldigt werden, wenn sie sich Heinrichs Soldaten, auch ohne die Waffen zu ziehen, in den Weg stellten.
Jeder einzelne der neunzig Männer, die sich in der Halle aufhielten, erstarrte bei diesem donnernden Befehl, und alle drehten sich nach ihrem jeweiligen Anführer um und warteten gespannt auf weitere Anweisungen.
Royces Blick richtete sich auf Graverley, und der ältere Mann erschrak, als er die eiskalte Verachtung darin erkannte.
»Ihr benehmt Euch absurd, Graverley. Die Lady, von der Ihr annehmt, ich hätte sie ermordet, macht einen Spaziergang auf dem Hügel hinter der Festung - ohne Wache. Lady Jennifer ist weit davon entfernt, eine Gefangene zu sein, vielmehr genießt sie hier völlige Freiheit und alle Bequemlichkeiten, die ich ihr bieten kann. Wenn Ihr sie seht, wird Euch auffallen, daß sie die kostbaren Kleider der früheren Besitzerin und eine wertvolle Perlenkette trägt, die ebenfalls einmal der ehemaligen Burgherrin gehört hat.«
Graverley
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