Im Koenigreich der Traeume
ihm zu bleiben, überreden mußte, sie nicht mit Gewalt zum Aufbruch zu zwingen, schlug er einen freundlicheren Ton an. »Lady Brenna ist bereits in Begleitung meines Bruders auf dem Weg nach Hause.« In der Hoffnung, Graverleys angeborene Schwäche für Klatsch jeglicher Art Nahrung zu geben, fügte er beinahe herzlich hinzu: »Diese Geschichte wird Euch zweifellos großes Vergnügen bereiten. Ich erzähle sie Euch, während wir essen ...«
Graverleys Neugierde gewann die Oberhand über seinen Argwohn. Nach kurzem Zögern nickte er und ging zum Tisch. Royce begleitete ihn übertrieben höflich, blieb jedoch auf halbem Weg stehen und entschuldigte sich für einen Augenblick. »Ich möchte erst jemanden losschicken, der Lady Jennifer zu uns bringen kann«, erklärte er und drehte sich zu Arik um.
Im Flüsterton trug er dem blonden Hünen eilends auf: »Nimm Godfrey mit und bring sie unverzüglich hierher.«
Der Riese nickte bedächtig, und Royce fuhr fort: »Schärfe ihr ein, daß sie Graverleys Aufforderung nicht so ohne weiteres Folge leisten darf und daß sie sich erst dazu äußern soll, nachdem sie sich angehört hat, was ich ihr unter vier Augen zu sagen habe.«
Die Möglichkeit, daß Jennifer trotz seines eigenen Angebots darauf bestehen könnte, mit Graverley aufzubrechen, war nach Royces Einschätzung ausgeschlossen. Obwohl er nicht einmal sich selbst gegenüber zugeben wollte, daß der Entschluß, sie zu heiraten, andere Gründe als Lust und Leidenschaft haben könnte, war er sich - wie auch in jeder anderen Schlacht -bewußt, daß er die Beweggründe des Gegners nicht unterschätzen durfte, wenn er ihn erfolgreich Zurückschlagen wollte. Was Jennifer betraf, wußte er genau, daß sie mehr für ihn empfand, als ihr selbst klar war. Sie hätte sich ihm niemals so hingeben oder später bekennen können, daß sie zwar nicht freiwillig in sein Bett gekommen aber niemals mehr freiwillig gegangen wäre, wenn er ihr nichts bedeutete. Und ganz sicher hätte sie ihn vorhin auf dem Hügel nicht auf diese verzehrende Art geküßt. Sie war zu liebevoll, zu ehrlich und zu unschuldig, um ihm so starke Gefühle vorzugaukeln.
In der festen Überzeugung, daß er den Sieg - nach einem kurzen Redegefecht zuerst mit Jennifer, dann mit Graverley - in der Tasche hatte, marschierte er zu dem Tisch, an dem es sich Graverley bereits gemütlich gemacht hatte.
»Also«, sagte Graverley, nachdem ihm Royce die Geschichte von Brennas Aufbruch erzählt und mit allen unwichtigen Details, die ihm einfielen, ausgeschmückt hatte, um Zeit zu gewinnen, »habt Ihr das schöne Mädchen gehen lassen und das stolze bei Euch behalten. Vergebt mir, aber das erscheint mir äußerst seltsam.« Graverley biß geziert von seinem Brot ab und kaute ausführlich.
Royce hörte ihm kaum zu, da er damit beschäftigt war, sich Alternativen auszudenken, falls Graverley sich weigerte, Jennifers Entschluß, in Hardin zu bleiben, zu akzeptieren. Mehrere Vorgehensweisen parat zu haben und bereit zu sein, die beste in heiklen Situationen in Angriff zu nehmen, hatte ihn bis jetzt am Leben erhalten und ihm zu seinen legendären Siegen verholfen. Er beschloß, das Recht zu fordern, den Befehl, Jennifer herauszugeben, persönlich aus dem Mund des Königs zu hören, falls Graverley Schwierigkeiten machen und darauf bestehen sollte, Jenny gleich mit sich zu nehmen. Damit würde er zwar offiziell Graverleys Glaubwürdigkeit in Frage stellen, aber das konnte an ihrer Beziehung auch nichts mehr verderben. Obwohl Heinrich derartige Eigenmächtigkeiten bestimmt nicht schätzt, weigerte sich Royce, daran zu glauben, daß ihn sein Ungehorsam an den Galgen bringen konnte. Sobald Heinrich mit eigenen Ohren von Jennifer gehört hatte, daß sie in eine Ehe mit dem Earl of Claymore mit Freuden einwilligte, war es nicht ausgeschlossen, daß der friedliebende König von England Gefallen an einer solchen Verbindung fand. Immerhin liebte es Heinrich, politische Auseinandersetzungen durch Eheschließungen beizulegen, das hatte er mit seiner eigenen Heirat hinreichend bewiesen.
Es war eher unwahrscheinlich, daß die naive Vorstellung, Heinrich würde wohlwollend über Royces Befehlsverweigerung hinwegsehen und dann auch noch seinen Segen zu seiner Heirat mit Jennifer Merrick geben, je Wirklichkeit wurde, aber Royce zog es vor, daran festzuhalten und gar nicht erst die anderen Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. In Wahrheit drohte ihm für diesen Ungehorsam der Tod durch den
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