Im Koma
Gesundheitsbehörde genehmigt ist und alle es benutzen. Trotzdem lähmt Botox die Muskeln, und das macht einem doch irgendwie Angst. Ich meine, was ist, wenn etwas schiefgeht, und man am ganzen Körper gelähmt bleibt? Scheiße«, murmelte Drew sofort. »Was rede ich? Tut mir leid. Das war jetzt nicht besonders schlau. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Ärzte sich etwas anderes vorgestellt haben, als sie sagten, ich solle möglichst viel mit dir sprechen. Es tut mir wirklich leid. Ich wollte nicht... Was entschuldige ich mich? Schließlich kannst du mich so oder so nicht hören. Oder doch? Kannst du mich hören? Manchmal habe ich das Gefühl...«
Ja. Du hast recht. Du hast recht.
»Nein, ich schätze, das ist wirklich zu albern«, sagte Drew seufzend. »Und was hältst du von Sean?«, fragte sie im selben Atemzug.
Sean?
»Der Typ, der gerade eben hier war«, antwortete Drew, als würden sie sich wirklich unterhalten.
Hatte ihre Schwester sie gehört, fragte Casey sich. War es möglich, dass sie den Namen laut ausgesprochen hatte?
»Ich kann mich nicht erinnern, ob du ihn je kennengelernt hast. Wellige blonde Haare, Boxernase. Kleiner, als ich meine Männer für gewöhnlich mag, aber was ihm an Länge fehlt, macht er mit Breite wett, wenn du weißt, was ich meine.« Sie kicherte. »Ja, ich weiß, ich rede Müll. Daddy würde es bestimmt nicht gutheißen. Obwohl er selbst einen Hang zum Gesindel hatte, unser Daddy«, sinnierte sie laut. »Sean ist jedenfalls okay. Nicht besonders helle, aber das mag ich irgendwie. Bestimmt kein Mann auf Dauer, also musst du dir deshalb keine Sorgen machen. Du hast im Moment ja ohnehin andere Sorgen.«
Casey spürte, wie Drew sich näher zu ihr beugte. »Casey?«, hörte sie sie mit leiser, besorgter Stimme fragen. »Casey, was geht da drinnen vor sich? Warum habe ich das Gefühl, dass du mich hören kannst?«
Weil du mich besser kennst als irgendjemand sonst. Weil du meine Schwester bist und es zwischen uns trotz allem eine Verbindung gibt, ein unzerreißbares Band.
»Sie kann Sie nicht hören«, sagte eine Männerstimme sanft.
Wer ist das?
»Ich weiß«, pflichtete Drew bei. »Es war nur plötzlich irgendwas an ihrem Gesichtsausdruck. Für einen Moment dachte ich, dass sie vielleicht... ich weiß nicht. Sind Sie ihr Arzt?«
»Nein. Ich bin ihr Physiotherapeut. Jeremy Ross.«
Casey versuchte sich vorzustellen, wie er aussah. Sie malte ihn sich groß mit blonden Haaren, einem kantigen Kinn und tief liegenden Augen aus. Vielleicht mit einer Nase, die in der Jugend einmal gebrochen worden war. Sie schätzte ihn auf Mitte dreißig und fragte sich, ob er Drew seine Hand anbot.
»Drew Lerner«, stellte Drew sich vor. »Caseys Schwester.«
»Ja, ich kann die Familienähnlichkeit erkennen. Nett, Sie kennenzulernen, Drew. Wie geht es unserer Patientin heute?«
Casey stellte sich vor, wie Drew mit den Achseln zuckte.
»Sie erholt sich sehr gut«, bemerkte der Physiotherapeut, trat ans Bett, nahm Caseys Hände in seine und drückte sie sanft.
Tat er das wirklich oder bildete sie sich das nur ein? Konnte sie tatsächlich spüren, wie er ihre Finger von oben bis unten abtastete?
»Ich kann auf jeden Fall einen Fortschritt spüren.«
»Das können Sie?«
»Sie wird kräftiger. Ich kann den Unterschied zu vor ein paar Tagen in ihren Fingern spüren. Und wenn die Ärzte sie erst mal von diesem Ding befreien«, sagte er und meinte offensichtlich den Apparat, der ihre Atmung kontrollierte, »können wir anfangen, sie deutlich mehr zu bewegen.«
»Und wenn sie nicht aus eigener Kraft atmen kann?«
»Die Ärzte werden sie erst von dem Respirator nehmen, wenn sie sicher sind, dass nichts passieren kann.«
»Glauben Sie, dass sie das Bewusstsein wiedererlangen wird?«
»Schwer zu sagen.« Jeremy ließ eine Hand los und hob die andere an. »Einige kommen wieder zu sich. Andere nicht.«
»Und wie stehen die Chancen?«
»Ich weiß es nicht.« Er begann, Caseys Handgelenk vorsichtig hin und her zu drehen. »Allgemein gilt, je länger das Koma, desto geringer die Chance auf eine vollständige Genesung. Aber man weiß nie. Man darf die Hoffnung nicht aufgeben.«
Casey spürte den sanften Druck seiner kräftigen Finger. Ein angenehmes Kribbeln lief ihren Arm hinauf und versetzte sie in helle Aufregung. Kehrten ihre Sinne nach und nach wieder zurück? Oder war alles nur eine Projektion ihres Bedürfnisses, etwas zu spüren? Bevor sie sich sicher war, durfte sie sich keine allzu
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