Im Koma
großen Hoffnungen machen.
Aber warum eigentlich nicht? Was hatte sie zu verlieren? Konnte es überhaupt noch schlimmer werden, als es jetzt schon war?
»So ist gut, Casey. Sie machen das ganz toll«, erklärte Jeremy ihr.
»Soll ich lieber rausgehen?«, fragte Drew.
»Nein, kein Problem. Ich hab nichts dagegen, wenn Sie hier sind. Was gucken Sie?« »Hä? Ach nichts. Es läuft sowieso nichts Vernünftiges.« Die Stimmen aus dem Fernseher verstummten abrupt.
»Dann können Sie mir ja zusehen«, sagte Jeremy. »Und einige der Übungen lernen, damit Sie sie bei Ihrem nächsten Besuch selbst mit ihr machen können.«
»O nein. Dafür hätte ich viel zu viel Angst, ihr wehzutun.«
»Sie tun ihr schon nicht weh. Ich zeige es Ihnen. Los, nehmen Sie ihre Hand.«
»Nein, ich kann nicht. Wirklich nicht.«
Casey spürte, wie ihre rechte Hand aus Jeremys festem Griff in Drews zittrige Hand gelegt wurde. Das kann ich spüren, dachte sie ausgelassen. Das kann ich spüren.
»So ist gut. Und jetzt heben Sie langsam und vorsichtig nacheinander ihre Finger an, einen nach dem anderen, ganz langsam und vorsichtig. So ist's richtig. Sehen Sie? Sie haben es schon drauf. Und jetzt drehen Sie ihr Handgelenk hin und her, so wie ich. Gut. Gut. Sehen Sie? Sie sind ein Naturtalent.«
»Wohl kaum«, sagte Drew sarkastisch.
»Aber natürlich. Keine falsche Bescheidenheit. Casey braucht Sie jetzt.«
»Glauben Sie mir. Ich bin das Letzte, was Casey braucht.« Hastig reichte sie Caseys Hand zurück an den Physiotherapeuten.
»Und warum das?« Jeremy begann Caseys Unterarme zu massieren.
Das ist keine Einbildung. Ich kann es wirklich spüren.
»Schon mal den Ausdruck >das schwarze Schaf der Familie< gehört?«, fragte Drew.
Jeremy gluckste. »Soweit ich weiß, gibt es in dieser speziellen Familie einige schwarze Schafe.«
Drew lachte mit ihm. »Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht.«
»Ich mache mich gern, so gut es geht, mit der Geschichte meiner Patienten vertraut.«
»Na denn, viel Glück mit dieser Familie. Wir sind eine ziemlich verkorkste Sippe. Bis auf Casey. Die war immer perfekt.«
»Es ist vermutlich schwer, immer mit Perfektion konkurrieren zu müssen«, stellte Jeremy fest, während er Caseys Ellenbogen massierte.
»Oh, ich hab früh aufgehört, damit zu konkurrieren.«
»Wahrscheinlich eine gute Idee.«
»Was ist mit Ihnen?«, fragte Drew. »Haben Sie Geschwister?«
»Zwei von jeder Sorte.«
»Wow. Eine Großfamilie. Und eigene Kinder?«
»Nein. Meine Frau und ich haben darüber nachgedacht, und dann hat sie sich überlegt, dass sie sie lieber mit jemand anderem haben würde, deshalb sind wir jetzt geschieden. Und Sie?«
»Ich habe eine Tochter. Keinen Mann«, fügte Drew rasch hinzu.
»Hallo, Jeremy«, sagte Warren von der Tür. »Drew, vielleicht solltest du lieber gehen und den Physiotherapeuten in Ruhe arbeiten lassen.«
»Das ist schon in Ordnung. Sie stört mich überhaupt nicht...«
»Sean und Lola warten unten auf dich.«
»Wir müssen uns unterhalten«, protestierte Drew.
»Nicht jetzt.«
»Das ist schon okay«, schaltete Jeremy sich ein. »Ich kann auch in ein paar Minuten wiederkommen. War nett, Sie kennenzulernen, Drew.«
»Gleichfalls.«
»Bitte erzähl mir nicht, dass du mit dem Physiotherapeuten deiner Schwester geflirtet hast«, sagte Warren, sobald Jeremy das Zimmer verlassen hatte.
»Was ist denn dabei? Sie kann mich sowieso nicht sehen.«
»Ich will jetzt nicht darüber diskutieren.«
»Er sieht ein bisschen aus wie Tiger Woods, findest du nicht auch?«
»Darüber will ich jetzt auch nicht diskutieren. Hör zu, unten wartet dein Freund mit Lola. Du solltest sie nicht noch länger warten lassen. Hier ist ein bisschen Geld, um über die Runden zu kommen.«
»Was soll ich denn mit lumpigen fünfhundert Dollar anfangen?«
»Mehr Geld habe ich nicht dabei.«
»Ich will nicht dein Geld. Ich will mein Geld.«
»Mehr kann ich im Augenblick nicht für dich tun.«
»Und wie lange soll das so gehen?«
»Ich weiß es nicht, Drew. Die Lage ist kompliziert.«
»Dann mach sie einfacher.«
»Mir sind die Hände gebunden.«
»Dann binde sie los.«
»Begreifst du das nicht? Es liegt nicht an mir.« Bitte. Ich kann mir das nicht länger anhören.
»O Gott, sieh nur«, sagte Drew plötzlich. »Ihr Gesicht.« »Was ist mit ihrem Gesicht?«
»Sie kann uns hören.« »Was redest du da?«
»Sie kann uns hören, Warren. Ich weiß es.«
Casey spürte, wie Warren einen Schritt näher trat;
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