Im Kreis der Sünder - Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet
Fragen«, fuhr Pielkötter fort. »Wird der Täter, wenn überhaupt, wieder an einem Dienstag zuschlagen? Und warum fanden die beiden Morde so schnell hintereinander statt? Nach meiner Recherche im INPOL ist das sehr ungewöhnlich.«
»Anscheinend wissen Sie meinen Rat also doch zu schätzen«, erwiderte Alvin Terstegen mit süffisantem Lächeln. Pielkötter kommentierte das mit einem grimmigen Blick.
»Zunächst zu Ihrer ersten Frage: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Täter wieder an einem Dienstag zuschlagen wird, ist wirklich sehr hoch. Und zur Ruhephase zwischen den Morden kann ich nur sagen, sie ist wirklich extrem kurz. Im Moment habe ich dafür nur eine Erklärung.« Terstegen legte eine kleine Kunstpause ein, die er sichtlich genoss, während sie die Kommissare einfach nur nervte. »Der Täter sieht in seinem Opfer eine potenzielle Ge fahr. Anders ausgedrückt, er glaubt, das Opfer könne auch zum Täter werden und ihm selbst oder anderen schaden.«
»Interessant«, rutschte es Barnowski heraus, wobei er anscheinend unbewusst den Blickkontakt zu Pielkötter mied. Terstegen erhob sich, als wolle er Barnowskis Äußerung gerne als abschließendes Urteil im Raum stehen lassen.
Nachdem der Polizeipsychologe das Zimmer verlassen hatte, sah Barnowski seinen Chef schweigend an.
»So viel Neues hat der uns wahrlich nicht geboten«, erklärte Pielkötter. »Am meisten ärgert mich, dass man uns den auf den Hals hetzt, statt etwas mehr Druck auf den Staatsanwalt auszuüben.«
»Denken Sie dabei an die Observierung von Liebermann?«, fragte Barnowski mit hochgezogener Stirn.
»Ja, und an Hartmut Gabrillani. Am Wochenende hab ich mehrmals vergeblich vor seiner Tür gestanden. Bin extra nach Neudorf gefahren. Dort wohnt er in einer kleinen Mietskaserne, wo keiner seinen Nachbarn kennt. Jedenfalls konnte mir niemand eine genaue Auskunft geben. Ein jüngerer Mann hat immerhin eine Vermutung geäußert: Gabrillani sei wohl verreist. Ans Telefon geht unser Kandidat natürlich auch nicht.«
»Aber Sie wollen den Mann unbedingt möglichst schnell warnen?«
»Hoffentlich ist es noch nicht zu spät«, erwiderte Pielkötter ernst. »Am liebsten hätte ich mir Zutritt zur Wohnung verschafft, der Staatsanwalt jedoch sieht keine unmittelbare Gefahr. Anstatt uns zu unterstützen, schicken sie uns dann diesen Polizeipsychologen. Auf diese Unterstützung pfeife ich. In der Zeit, die wir hier verplempert haben, hätten wir längst recherchieren können, ob Gabrillani Angehörige hat. Vielleicht wissen die ja, wo er steckt.«
Barnowski schien zu grübeln. »Hoffentlich liegt Terstegen we nigstens mit seiner Einschätzung richtig.«
»Wie?«, fragte Pielkötter irritiert.
»Dass es einen fixen Wochentag für die Taten gibt. Wenn wir morgen einen Mord verhindern können, haben wir wieder eine Woche Zeit.«
»Aber bis dahin haben wir noch einiges zu tun«, bemerkte Pielkötter. »Sie überprüfen Liebermanns Alibi, und ich kümmere mich verstärkt um Hartmut Gabrillani.«
Montag, 23. Mai 15:00 Uhr
Zwei kichernde junge Frauen von knapp zwanzig Jahren kamen Barnowski auf dem Gang entgegen. Die rechte trug eine knallenge Jeans, die andere einen superkurzen Minirock. Ohne Make-up wären sie wahrscheinlich noch attraktiver gewesen.
Ein Zimmer im Schwesternwohnheim müsste man haben, überlegte Barnowski, wobei er einen letzten Blick auf die wohlgeformten Beine der Minirockträgerin warf. Während er nun zwei Treppenstufen auf einmal nahm, summte er vor sich hin. Ludmilla Iwanowitschs Appartement in der zweiten Etage hatte er schnell gefunden. Gut gelaunt klopfte er an. Fast wäre ihm ein lautes »Wow« entfahren. Schwester Ludmilla war noch attraktiver als die beiden Damen im Treppenhaus. Mit einem schüchternen Lächeln auf den schön geschwungenen Lippen führte sie ihn herein. Das Einzimmerappartement war zwar winzig und mit bescheidenen Mitteln eingerichtet, dafür aber außerordentlich gemütlich.
»Ich hatte noch nie mit der Polizei zu tun«, erklärte Ludmilla mit einem Akzent, den Barnowski irgendwie herrlich fand. »Wenn Sie sich vorher nicht angemeldet hätten, was hätte ich da für einen Schrecken gekriegt.« Dabei rollte sie das R so sehr, dass Barnowski schmunzeln musste.
»Nun, ich denke, wir sind besser als unser Ruf«, antwortete er mit seinem, wie er hoffte, attraktivsten Lächeln. »Vor allem garantieren wir den Schutz jedes unbescholtenen Bürgers.«
Bei der haust du ganz schön auf den Rahm, dachte er
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