Im Kreis der Sünder - Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet
Weg zum Alten Friedhof in Neudorf rief er Barnowski an. »Hartmut Gabrillani ist tot«, schrie er unpassend laut ins Handy. »Die Beerdigung findet heute statt. Um elf Uhr am Alten Friedhof in Neudorf, Sternbuschweg. Am besten lassen Sie alles stehen und liegen und kommen direkt dort hin. Wir treffen uns dann am Haupteingang.« Ehe sein Untergebener noch etwas erwidern konnte, beendete er das Gespräch und stieg in den Wagen.
Als Pielkötter nach etwa einer halben Stunde Fahrt am Friedhof vorbeifuhr, sah er Barnowski schon an der Pforte zum Haupteingang stehen. Leider dauerte es noch einige Flüche, bis er endlich einen Parkplatz genau hinter einem alten R4 gefunden hatte. Pielkötter lächelte für einen kurzen Augenblick. So einen Wagen hatte er früher auch gefahren, während der Ausbildung, nur nicht in Schwarz. Wahrscheinlich gab es ursprünglich nicht einmal schwarze R4s, aber an dem Wagen war offensichtlich nicht nur die Farbe neu. Ein Liebhaber investierte da so manch einen Euro. Ob der Renault wohl irgendjemandem von der Trauergemeinde gehörte?
»Das ist ja echt ein Ding«, begrüßte ihn Barnowski, nachdem Pielkötter zum Haupteingang zurückgelaufen war. »Wieso wussten wir nichts davon?«
»Wahrscheinlich weil wir die Adresse von Hartmut Gabrillani aus dem Telefonbuch haben und nicht vom Einwohnermeldeamt«, erwiderte Pielkötter vorwurfsvoll.
»Zumindest scheint er nicht ermordet worden zu sein, sonst wären wir garantiert informiert worden.«
»Für mich sieht das jedenfalls nicht nach Zufall aus. Gleich drei tote Kameraden innerhalb von zwei Wochen.«
»Nicht einmal«, verbesserte Barnowski. »Schließlich ist Gabrillani schon vor einigen Tagen gestorben, wenn er jetzt beerdigt wird. Und heute haben wir wieder Dienstag. Seltsam, nicht?«
»In gewisser Weise, aber ich glaube nicht, dass der Mörder Einfluss auf den genauen Tag der Beerdigung hat.«
»Hauptsache, ihm reicht dieses Ereignis für diese Woche.«
»Darauf würde ich mich nicht verlassen«, erklärte Pielkötter ernst. »Deshalb werden wir Liebermann, den letzten aus der Runde, ab heute Abend bis morgen früh observieren.«
»Dienstagnacht sterbe ich sowieso immer fast vor Langeweile«, erwiderte Barnowski und verzog das Gesicht.
»Gehen wir zur Kapelle. Es ist bald soweit.«
Schweigend liefen sie den Hauptweg entlang an etlichen mehr oder weniger gut gepflegten Gräbern vorbei. Eine sehr überschaubare Menschenmenge hatte sich bereits vor der Kapelle ver sammelt. Pielkötter zählte mit dem Pfarrer genau acht Personen. Anscheinend war Hartmut Gabrillani bei seinen Mitmenschen nicht unbedingt beliebt. Drei Kinder, nach dem Alter der anderen Anwesenden zu urteilen ohne Anhang, ein bis zwei Leute vom Beerdigungsinstitut, da blieben nur wenige andere Trauergäste übrig.
Während es plötzlich zu regnen begann, führte der Pfarrer die winzige Trauergemeinde in die Kapelle hinein. Neugierig lauschte Pielkötter der Ansprache des Geistlichen. Auf die ohnehin spärlichen Lobeshymnen kam es ihm nicht sonderlich an, eher auf die erwähnten Trauernden. Demnach hatte Hartmut Gabrillani weder Enkelkinder noch Schwiegersöhne- oder töchter. Seltsam, über legte Pielkötter, aber dann fiel ihm unwillkürlich seine eigene familiäre Situation ein. Immerhin hatte der Tote drei Kinder, und er hingegen nur einen einzigen Sohn.
Nach dem Trauergottesdienst warf Pielkötter einen neugierigen Blick auf die beiden Kränze, die die Männer vom Beerdigungs institut auf den Sarg gelegt hatten. »Ein letzter Gruß von Deinen Kindern Belinda, Sina und Thomas«, las er. Der zweite Kranz war von drei Doppelkopfbrüdern, von denen offensichtlich nur einer anwesend war. Die Blumenbouquets stammten wahrscheinlich von den beiden Frauen, die etwa in Pielkötters Alter waren.
»Seltsame Feier«, raunte ihm Barnowski zu, während der Trauermarsch sich in Bewegung setzte. »Also, so ein unspektakulärer Abgang wäre nichts für mich. Viel schlimmer aber noch finde ich die Vorstellung, wie mickrig dieses Leben ausgesehen haben muss.«
»Bekanntlich zieht es den Täter ja magisch zur Beerdigung seines Opfers hin«, erwiderte Pielkötter. »Können Sie sich hier einen der Anwesenden als den Mörder vorstellen?«
»Ich denke, der ist nicht ermordet worden«, wunderte Barnowski sich über die Frage.
»Natürlich nicht, aber er hätte das nächste Opfer sein können, wäre er nicht vorher gestorben. Also, sehen Sie hier jemanden, der gekommen sein könnte um zu
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