Im Kreis der Sünder - Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet
Telefonnummer von Thomas Gabrillani erfahren. Pielkötter brannte geradezu darauf, die drei zu vernehmen, nur die Pietät hielt ihn an diesem Tag zurück.
Mittwoch, 25. Mai 8:30 Uhr
Mit Sehschlitzen, die nur sehr entfernt an wache Augen erinnert en, schlich Pielkötter zum Kaffeeautomaten. Wieso hatte ihm eine durchgearbeitete Nacht früher nichts ausgemacht? »Kommst in die Jahre, alter Junge«, sagte er leise zu sich selbst. Unwillkürlich verzog er das Gesicht.
Leider war alle Mühe vergebens gewesen. Der Mörder hatte sich nicht bei Liebermann blicken lassen, und der gute Doktor hatte gegen acht Uhr ausgeschlafen seine Villa verlassen. Als einz iger Trost blieb ihm, dass es Barnowski trotz seiner Jugend heute auch nicht wesentlich besser ging als seinem Chef.
Während Pielkötter sich die vierte Tasse Kaffee an diesem Mor gen einschenkte, fiel ihm die Vernehmung des Doppelkopfbruders von Hartmut Gabrillani ein. »Was hat die Befragung von Jürgen Klausner ergeben?«
»Kaum mehr als die der beiden Damen von der Beerdigung«, erwiderte Barnowski. »Wollen Sie den Originalton von Klausner hören?« Barnowski wartete Pielkötters Zustimmung erst gar nicht ab. »Gezz ma ganz ohne Scheiß, Tote soll man bekanntlich ja nix Schlechtes nachsagen. Der Hartmut war so’n ganz seltsamen Heini, irgendwie meschugge war der. Und mit Geselligkeit, ne, damit hatte der nix am Hut. Also für unseren Verein war der so’n Zwischending zwischen Notlösung und Supergau, wenn Se verste hen, wat ich mein? Also, deshalb sind die andern von unsere Runde nich zu die Beerdigung gekommen. Nur mir hat der Hartmut irgendwie leid getan. Wegen der Krankheit, aber auch so. Schließlich hat der sich doch auch nich selbs gemacht.«
»Sie haben also nicht in Erfahrung bringen können, ob der Kartenspieler von irgendwelchen Feinden Gabrillanis wusste?«
»Beim besten Willen nicht«, entgegnete Barnowski. »Dafür habe ich aber etwas Interessantes über unseren ehrenwerten Doktor Liebermann herausgefunden. Der Mann hat keinen Waffenschein, auch nicht für ein Jagdgewehr passend zu der gekauften Munition.«
»Wie zu erwarten war«, gab Pielkötter zurück. »Viel aufschlussreicher ist sowieso die Frage, was er mit dem Gewehr anzustellen gedenkt.«
»Zunächst bin ich nur froh, dass das in der gestrigen Nacht nicht zum Einsatz gekommen ist. Und wenn wir dem Polizeipsychologen unseres Vertrauens glauben dürfen, haben wir jetzt erst einmal bis zum nächsten Dienstag Ruhe.«
Donnerstag, 26. Mai 15:00 Uhr
Missmutig lief Pielkötter die geschwungene Auffahrt hoch, die im Halbkreis zum Hauptportal des Krankenhauses hinaufführte. Oben angekommen wurde ihm wieder einmal bewusst, wie sehr er Krankenhäuser hasste. Nun, dort einen Arzt zu vernehmen, gehörte sicher noch zu den angenehmsten Gründen für einen Aufenthalt.
Die für seinen Geschmack etwas zu aufgetakelte Dame am Empfang legte in Zeitlupentempo ein gerade begonnenes Sudoku zur Seite und schaute ihn unfreundlich an.
»Ich möchte zu Doktor Marbach«, erklärte Pielkötter ärgerlich.
Unwillig runzelte die Frau die Stirn. Vielleicht fragten die meisten Besucher nach einem Patienten und kaum nach einem Arzt. Vor allem nicht nach einem ganz bestimmten.
»Ich bin mit Doktor Marbach verabredet«, erwiderte Pielkötter mit einem selten süffisanten Grinsen und hielt ihr seine Dienstmarke hin.
»Ja, wenn das so ist«, entgegnete die Dame, was fast nach einer Art Entschuldigung klang. Augenblicklich überzog sich ihr Gesicht mit einer zusätzlichen Röte. Dabei ist das Lösen von Sudokus doch nicht polizeilich verboten, lachte Pielkötter innerlich.
»Station 3D in der dritten Etage«, erteilte sie ihm nun beflissen die gewünschte Auskunft. »Gehen Sie den Gang entlang bis zum Ende. Dann wenden Sie sich nach links. Rechter Hand befinden sich die Aufzüge. Oben wenden Sie sich wieder nach links. Das Ärztezimmer befindet sich etwa in der Mitte von Station 3D.«
Warum nicht gleich so, hätte Pielkötter am liebsten geantwortet, aber stattdessen bedankte er sich.
Das Ärztezimmer der Station zu finden war wirklich nicht schwer. Allerdings öffnete niemand, obwohl er mehrmals laut an geklopft hatte. Als er sich nach Hilfe suchend umsah, rannte gerade eine korpulente Krankenschwester mit einer Brechschale an ihm vorbei.
»Halt«, rief Pielkötter mit im letzten Moment gedämpfter Lautstärke. »Ich möchte zu Doktor Marbach.«
»Wahrscheinlich steht der noch im OP«, erwiderte die
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