Im Kreis der Sünder - Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet
einfällt, melden Sie sich bitte.«
Sichtlich erleichtert erhob sich Thomas Gabrillani.
»Welche neuen Erkenntnisse haben Sie gewonnen?«, fragte Pielkötter, nachdem der Zeuge das Vernehmungszimmer verlassen hatte.
»Seltsame Familie«, erwiderte Barnowski nachdenklich. »Ein Vater, der kaum soziale Kontakte pflegte, und zumindest die Töchter in gewisser Hinsicht gestört.«
»Inwiefern?« Pielkötter beugte sich neugierig weiter nach vorn in Richtung seines Mitarbeiters, der inzwischen Platz genommen hatte.
»Dieses Outfit! Ich habe wirklich nichts gegen Mode und ein paar Accessoires, aber doch nicht gleich zehn Ketten übereinander und etliche Armbänder. Ist Ihnen das denn nicht aufgefallen?«
»Als sie hier im Zimmer war, hat ihre Jacke den Schmuck verdeckt«, erklärte Pielkötter ungehalten. »Und woraus schließen Sie noch, dass die Dame, sagen wir mal, eine kleine Macke hat?«
»Sie hat andauernd auf die Uhr gesehen und mit dem linken Ringfinger auf die Tischplatte getrommelt.«
»Vielleicht hatte sie einen dringenden Termin«, wiegelte Pielkötter ab.
»Zudem wanderten ihre Augen ständig hin und her, als sei Wachsamkeit das oberste Gebot.«
»Die Vernehmung hat sie möglicherweise einfach nervös gemacht.«
»Trotzdem etwas zu viel sonderbares Verhalten auf einmal.« Barnowski fuhr sich mit der Rechten durch sein dichtes, schwarzes Haar. »Ha«, lachte er kurz auf. »Kaum zu glauben, während Belinda Gabrillani wie ein schriller, durchgeknallter Paradiesvogel vor mir saß, hat sie von ihrer nervenkranken Schwester erzählt. Die ist sogar in psychologischer Behandlung. Jetzt dürfen Sie dreimal raten, bei wem.«
»Mark Milton«, erwiderte Pielkötter ärgerlich »Sie wissen doch, solche Ratespielchen mag ich nicht.«
»Vielleicht bekommen Sie aus dem was heraus.«
»Nie und nimmer. Die Schweigepflicht ist dem heilig. Aber wir schaffen das auch ohne seine Hilfe. Ich hoffe nur, Sina Gabrillani macht nicht dauerhaft auf vernehmungsunfähig.«
»Und was hat sich bei Ihnen ergeben?«, fragte Barnowski.
»Nicht viel. Im Gegensatz zu seiner Schwester wirkte Thomas Gabrillani relativ normal. Übrigens hat er uns auf der Beerdigung bemerkt und offensichtlich wiedererkannt.«
»Kunststück in der riesigen Menschenmenge«, erwiderte Barnowski ironisch.
»Haben Sie ihm eigentlich die Namen der Opfer am Telefon genannt?«
Sein Mitarbeiter stutzte. »Wieso?«
»Zumindest hat der Zeuge das behauptet.«
»Kann schon sein«, gab Barnowski schließlich zu.
»Ich hätte es für sinnvoller gehalten, die Namen zunächst offen zu lassen.«
»Gibt es denn nun Anhaltspunkte, dass Gabrillani ebenfalls einem Mord zum Opfer gefallen ist, oder eher nicht?«, lenkte Barnowski geschickt von der Kritik ab.
»Nach dem jetzigen Stand der Dinge ist er eines natürlichen Todes gestorben. Genau wie sein Arzt Doktor Marbach das angegeben hat. Selbst Karl-Heinz Tiefenbach kam nach Durchsicht der Krankenunterlagen zu demselben Schluss. Der hat mich kurz vor unserer Befragungsrunde angerufen.«
»Trotzdem seltsam!«
»Da stimme ich Ihnen ausnahmsweise zu«, erwiderte Pielkötter. »Ganz sicher gibt es zwischen den drei Todesfällen einen Zusammenhang. Leider bleibt er uns noch verborgen.«
Samstag, 28. Mai 14:00 Uhr
Ärgerlich wärmte sich Pielkötter das Mittagessen auf. Grünkohleintopf mit Mettwurst. Eigentlich mochte er dieses Gericht, aber heute verspürte er kaum Appetit. Warum kehrte die Zeit mit den regelmäßigen gemeinsamen Mahlzeiten nicht einfach zurück?
»Weil im Leben eben nicht immer alles glatt läuft«, sagte er plötzlich laut zu sich selbst. »Und wenn das anders wäre, könntest du dir gleich einen neuen Job suchen.« Vielleicht gar nicht so schlecht, sich von Mördern und anderen Verbrechern fernzuhalten. Pielkötter schaltete die Herdplatte aus, schob den viel zu großen Kochtopf zur Seite und häufte sich drei Kellen Grünkohl auf den bereitgestellten Teller. Skeptisch schielte er auf die Portion, dann schaufelte er eine Ladung zurück. Anschließend stocherte er lustlos in dem Essen herum.
Warum habe ich eigentlich an diesem Samstag so früh Dienstschluss gemacht, überlegte er. Warum kam er überhaupt noch nach Hause? Wenn es nur Mariannes Arbeit gewesen wäre, aber inzwischen häuften sich auch ihre privaten, oder besser gesagt, halbdienstlichen Termine. Zumindest war sie heute wie öfter in letzter Zeit bei ihrer Chefin eingeladen. Wenn das so weiterging, war Marianne bald deren
Weitere Kostenlose Bücher