Im Kreis der Sünder - Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet
Corinna auf seine Frage zurück. »Da bin ich todsicher. Sein Sohn war noch am Nachmittag des Vortages da. Der war ziemlich beunruhigt, wegen einer Geschäftsreise. Wir wussten ja alle, dass es mit dem Patienten jederzeit zu Ende gehen konnte. Natürlich hat er befürchtet, sein Vater würde vor Ende der Geschäftsreise sterben. Genauso ist es ja dann auch gekommen. Tatsächlich hat der Sohn den großen Abschied um wenige Stunden verpasst. Tragisch.«
»Eigentlich hätten in diesem Fall die Töchter einspringen können«, entgegnete Pielkötter nachdenklich.
»Offensichtlich hatten die aber wohl nicht gerade das beste Verhältnis zu dem Patienten«, erwiderte Schwester Corinna. »Einmal hat er mir erzählt, er sei kein guter Vater gewesen. Nun ja, alles ist relativ.«
»Haben Sie sonst etwas Ungewöhnliches bemerkt?«, fragte Pielkötter zum Abschluss. »In Bezug auf den Krankheitsverlauf, den Sterbevorgang oder ganz allgemein?«
»Außer dass sich die Töchter nicht um ihn gekümmert haben … nein, eigentlich nicht. Das kommt übrigens häufiger vor, als man annehmen möchte. Dass der so ein schlechter Vater gewesen sein soll, das traue ich Herrn Gabrillani nicht wirklich zu. Aber letztlich weiß man es ja nicht, wir waren ja nicht dabei, wie es so schön heißt.«
Pielkötter nickte ihr bestätigend zu und erhob sich. »Ach ja, noch eine letzte Frage. Hatte Herr Gabrillani einen Narbenkreis auf der Brust? Einen mit tätowierten Buchstaben in der Mitte?«
Beide sahen ihn erstaunt an.
»Ist mir nicht aufgefallen«, erwiderte Doktor Marbach.
»Ich weiß auch nichts davon«, antwortete Schwester Corinna, »aber ich habe ihn ja auch nie gewaschen. Wenn Sie wollen, kann ich gerne eine der Schwestern danach fragen.«
»Tun Sie das.« Nach einem tadelnden Blick aus ihren Augen fügte Pielkötter eilig das Wort »bitte« hinzu.
Daraufhin verließ Schwester Corinna den Raum und kehrte wenige Minuten später zurück. »Im Moment kann sich hier niemand an eine Narbe erinnern«, erklärte sie. »Was allerdings nichts heißen will. Ich konnte nur etwa ein Viertel des Pflegepersonals befragen.«
»Schon gut. Ich werde sowieso mit den Angehörigen darüber sprechen.«
»Übrigens kann sich Ihr Rechtsmediziner bei Rückfragen gerne mit mir in Verbindung setzen«, schaltete sich Doktor Marbach ein. Zuerst reichte der Stationsarzt ihm die Hand, dann die kopierten Berichte.
Grübelnd verließ Pielkötter das Krankenhaus. Wie es aussah, war Hartmut Gabrillani tatsächlich eines natürlichen Todes gestorben. Trotzdem glaubte er irgendwie an einen Zusammenhang zwischen seinem Ableben und den beiden grausamen Morden.
Freitag, 27. Mai 13:00 Uhr
Belinda und Thomas Gabrillani betraten gleichzeitig das Zimmer des Präsidiums, das man für eine Befragung vorgesehen hatte.
»Ich dachte, Sie kämen zu dritt«, bemerkte Pielkötter erstaunt, nachdem sie sich vorgestellt hatten.
»Unserer Schwester Sina geht es noch nicht so gut«, erklärte Thomas Gabrillani.
»Sie ist äußerst sensibel«, fügte Belinda hinzu.
»Na, dann nehme ich erst einmal mit Ihnen beiden vorlieb. Bitte setzen Sie sich. Ich denke, jeden Augenblick wird mein Mitarbeiter erscheinen und einen von Ihnen mit in einen anderen Raum nehmen.«
Belinda warf ihrem Bruder einen unglücklichen Blick zu. »Warum befragen Sie uns nicht zusammen?«, fragte sie sichtlich aufgeregt.
»Das handhaben wir immer so«, gab Pielkötter eine lapidare Antwort. »Zunächst habe ich aber einer Frage, die Sie mir beide sicher beantworten können: Hatte Ihr Vater einen Narbenkreis auf der Brust?«
Belinda Gabrillani nickte nur zur Bestätigung. »Ja, so eine kreisförmige Narbe mit drei tätowierten Buchstaben«, antwortete ihr Bruder. »Ein C, ein S und ein H. Das H stand für Hartmut. Ich habe ihn einmal nach der Bedeutung gefragt, aber mein Vater hat nicht richtig mit der Sprache herausgerückt. Er hat nur irgendetwas von einer Jugendsünde gemurmelt.«
»Wissen Sie mehr darüber?«, wandte sich Pielkötter an seine Schwester.
Belinda Gabrillani schüttelte den Kopf. Gesprächig ist die nicht gerade, dachte er und entschied sich gleichzeitig dafür, sie Barnowski zu überlassen. Der konnte junge Damen sicher besser zum Reden bringen. Wo sein Mitarbeiter nur blieb?
»Übrigens bedaure ich sehr, dass ich Sie so früh nach dem Tod Ihres Vaters schon behelligen muss«, entschuldigte sich Pielkötter laut. »Wir ermitteln jedoch in zwei Mordfällen, und die Zeit läuft uns
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