Im Kreis des Wolfs
sehen.«
»Mit Cheryl. Ach, na ja, sie ist nicht meine F-F-Freundin. Sie ist nett, a-a-aber …«
»Tut mir leid. Es geht mich ja auch nichts an.«
»N-N-Nein, ist schon in Ordnung. Bloß mit den Mädchen … Wissen Sie, mit meiner St-St-Stotterei und so, da hat es nie …«
Er spürte, dass er rot wurde, und war froh, dass sie ihn nicht sehen konnte. Dabei hatte er das überhaupt nicht sagen wollen, da er den Gedanken nicht ertrug, dass sie Mitleid mit ihm empfand; denn darum ging es doch gar nicht. Schließlich hatte er gelernt, dass Selbstmitleid die Dinge nur noch schlimmer machte.
Er hörte, wie sie aufstand, und plötzlich befand sich ihr blasses Gesicht im Dunkeln direkt neben seinem.
»Luke? Halt mich. Bitte, halt mich«, flüsterte sie, den Tränen nahe. Er setzte sich auf, schlüpfte aus seinem Schlafsack, glitt vom Bett und stellte sich neben sie. Sie streckte die Hände nach ihm aus und umarmte ihn. Er zog sie an sichund drückte ihren Kopf an seine Brust. Ihren Körper so nah zu spüren raubte ihm fast den Atem.
»D-D-D-Du …«
Er konnte es nicht sagen. Sie schaute zu ihm hoch, doch im Dunkeln war ihr Gesicht nur ein Schemen. Er konnte es immer noch nicht sagen, konnte ihr nicht sagen, dass sie die Einzige war, die er je geliebt hatte und jemals lieben würde. Dann spürte er, wie ihre Arme ihn freigaben, wie sie sein Gesicht behutsam zwischen die Hände nahm. Er sah in ihre unergründlichen Augen, neigte den Kopf, schloss die Augen und spürte endlich ihre Lippen.
Sie küsste ihn auf die Stirn, als wollte sie ihn segnen, fuhr dann leicht mit den Lippen über seine Wangen, küsste seine geschlossenen Augenlider, drückte ihre Wange an sein Gesicht. Einen Augenblick blieben sie so stehen, ohne sich zu bewegen. Dann schlug er die Augen auf und küsste ihr Gesicht so, wie sie seines geküsst hatte. Er konnte das Salz ihrer Tränen auf den Wangen und in den Mundwinkeln schmecken.
Und als sich ihre Lippen schließlich berührten, spürte er, wie er am ganzen Körper bebte. Er sog ihren Duft, ihren Geschmack, sog sie ganz in sich auf, als wollte er in ihr ertrinken.
26
Der Weihnachtsmarkt schien immer noch gut besucht zu sein, als Buck in der Stadt ankam. Er hatte so lange zum Viehfüttern gebraucht, dass er schon befürchtete, es sei bereits alles vorbei, doch in den Straßen vor der Stadthalle parkten reihenweise die Autos, und immer noch trafen Leute ein.
Hettie Millward und die andere Frau, die den Markt organisiert hatten, schienen sich dieses Jahr besondereMühe gegeben zu haben. Der Eingang war geschmückt, und sie hatten sogar einen Weihnachtsbaum mit bunten Lichtern aufgestellt, der in der Sonne und dem frisch gefallenen Schnee wirklich hübsch aussah. Hettie war es außerdem gelungen, zum ersten Mal seit vielen Jahren auch Eleanor wieder zur Mitarbeit zu bewegen. Sie würde jetzt in der Stadthalle sein, damit rechnete Buck jedenfalls.
Es war ziemlich schwierig gewesen, sie aus dem Haus zu locken, hatte sie sich doch die ganze Nacht Sorgen darüber gemacht, dass Luke im Schneesturm feststeckte. Sie wollte schon Craig Rawlinson anrufen und ihn bitten, einen Suchtrupp zusammenzustellen, als der Junge kurz nach dem Frühstück anrief, um ihnen zu sagen, dass es ihm gutgehe und er die Nacht bei Helen Ross in der Hütte verbracht habe.
Was für eine Verschwendung, dachte Buck.
Er fuhr an der Stadthalle vorbei die Hauptstraße hinauf und verlangsamte vor dem Paragon sein Tempo, da er hoffte, einen Blick auf Ruth zu erhaschen, doch war das Schaufenster zu voll gestellt. Er parkte ein wenig oberhalb von Nelly’s Diner, ging zurück und schaute sich unauffällig um. Niemand schien ihn zu beachten, alle Welt war heute offenbar auf dem Weihnachtsmarkt.
Als er eintrat, stand Ruth gerade an der Kasse und bediente Nancy Schaeffer, die Lehrerin, hob aber den Blick, als sie die Türglocke hörte. Er sah ihr an, dass sie über sein Erscheinen nicht gerade begeistert war.
»Guten Morgen!«, rief er den beiden fröhlich zu.
»Hi, Buck«, sagte Nancy. »Fröhliche Weihnachten!«
»Ihnen auch eine fröhliche Weihnacht.« Er nickte und lächelte Ruth an.
»Ruth.«
»Mr. Calder.«
Dann widmete sie sich wieder Nancy, und die beiden unterhielten sich über irgendeine Schulgeschichte. Buck schlenderte durch den Laden und tat, als suche er etwas. Sonst waren keine Kunden da.
Seit über einem Monat hatte er Ruth weder gesprochen noch gesehen. Sie trug einen engen, braunen Pullover und sah einfach
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