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Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Evans
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Frage. In Abständen von etwa zwei Jahren folgten zwei Töchter, Lane und Kathy.
    »Seine besten Kühe lässt man nur einmal im Jahr bespringen«, sagte Buck zu seinen Saufkumpanen im Last Resort. »Nur so bekommt man die besten Kälber.«
    Diesen Ausspruch konnte er besten Gewissens für die ersten drei Kinder gelten lassen. Henry IV. war durch und durch ein erstgeborener Calder, und manchmal, wenn sie gemeinsam auf die Jagd gingen, das Vieh zusammentrieben oder einen Zaun flickten, schüttelte Buck vor Stolz den Kopf über die rasche Auffassungsgabe des Jungen.
    Herr im Himmel, dachte er, wie mächtig doch der Same ist. Und dann schaute er den kleinen Luke an und begann zu zweifeln.
    Dieser zweite Sohn sah überhaupt nicht wie ein Calder aus. Eleanor hatte vier Jahre gebraucht und zwei Fehlgeburten gehabt, ehe er geboren wurde, und in dieser Zeit schien irgendwas mit den Genen der Calders passiert zu sein. Der Junge war das Ebenbild seiner Mutter: Er besaß ihre blasse irische Haut, das dunkle Haar, die gleichen wachsamen grünen Augen.
    »Tja, er kommt ganz nach seiner Mutter«, hatte Buck im Krankenhaus gewitzelt, als er das Kind zum ersten Mal sah, »aber wer der Vater ist, das kann man ihm nicht ansehen.« Und seither nannte er den Jungen selbst vor Luke nur noch »deinen Sohn«.
    Natürlich war es bloß ein Scherz. Er war viel zu stolz, um glauben zu können, irgendein Mann würde es wagen, ihm Hörner aufzusetzen, oder seine Frau würde ihn betrügen. Doch insgeheim dachte er sich, dass seine Gene zwar beteiligt, aber irgendwie nicht zu dem Jungen vorgedrungen waren oder, schlimmer noch, versagt hatten. Das glaubte er jedenfalls schon, bevor Luke zu stottern begann.
    »Rede vernünftig«, sagte Buck bei Tisch zu ihm. Er brüllte nicht, er redete sanft, doch bestimmt. »Sag ›Kann ich bitte die Milch haben.‹ Mehr verlange ich doch gar nicht, Luke.«
    Und Luke, gerade drei Jahre alt, saß da, versuchte es und scheiterte, versuchte es wieder und scheiterte erneut, und er bekam keine Milch, bis er weinte und Eleanor zu ihm ging, ihn umarmte und ihm die Milch gab, während Buck sie anbrüllte und dumm nannte, denn wie zum Teufel sollte der Junge vernünftig reden lernen, wenn sie sich jedes Mal einmischte?
    Luke wuchs heran, und das Stottern wurde schlimmer. Die Kluft zwischen seinen Worten schien auf seltsame Weise mit der Kluft verbunden zu sein, die sich nach und nach in der Mitte der Familie auftat: Er und seine Mutter auf der einen, sein Vater auf der anderen Seite. So wurde er immer mehr zu Eleanors Sohn und war bald darauf auch ihr einziger Sohn.
    Als Luke sieben Jahre alt war, starben zwei Henry Calders an einem verschneiten Novembertag bei einem Autounfall.
    Der junge Henry, kaum fünfzehn Jahre alt, lernte Autofahren, und er saß am Steuer, als ein Reh vor ihnen über denWeg sprang. Die Straße war glatt wie Marmor, und als er ausweichen wollte, blockierten die Räder; der Wagen geriet ins Schleudern und schoss wie ein flügellahmer Vogel in die Schlucht. Das Rettungsteam fand sie drei Stunden später und entdeckte im Licht der Taschenlampen die schneebedeckten Leichen in einem Baum, steifgefroren und grotesk ineinander verschlungen wie bei einem Pas de deux.
    Da der alte Henry schon sechsundsiebzig Jahre auf dem Buckel hatte, ließ sich sein Tod ein wenig leichter verschmerzen. Doch der Verlust eines Kindes gleicht dem Sturz in einen Abgrund, aus dem nur wenige Familien wiederkehren. Manche kriechen zurück ans Licht, wo die Erinnerung im Lauf der Zeit verblasst, doch andere verharren für immer in der Dunkelheit.
    Die Calders fanden für sich eine Art Zwielicht, doch jeder auf anderem Weg. Der Tod des Jungen schien mit zentrifugaler Kraft auf die Mitglieder der Familie zu wirken. Sie fanden keinen Trost in gemeinsamer Trauer. Und wie schiffbrüchige Fremde strebte jeder allein an Land.
    Lane und Kathy wurden am besten damit fertig, und sie flüchteten so oft und so lange wie möglich zu ihren jeweiligen Freunden. Ihr Vater hingegen verdrängte seinen Schmerz, verbreitete wie zur Entschädigung noch einige seiner Gene und suchte sexuellen Trost, wo immer er sich bot. Mit neuem Elan nahm er seine Eskapaden wieder auf, die durch die Eheschließung nur kurz unterbrochen worden waren.
    Eleanor zog sich in ein fernes inneres Land zurück. Tagelang saß sie wie gebannt vor dem Fernseher. Bald kannte sie alle Schauspieler in sämtlichen Familienserien und sah dieselben Themen und dieselben Gesichter in den

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