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Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Evans
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ab.
    »Glauben Sie an Geister?«
    »Ja, ich denke schon. Warum?«
    »Ich schwöre Ihnen, dieses Ding ist verflucht. Ich habe es aus einem bankrotten Laden in Seattle gekauft, war wirklich billig. Jetzt weiß ich, warum. Also, wie wär’s mit einem Kaffee?«
    »Haben Sie einen ohne Koffein?«
    »Na klar. Fettarme Milch oder normale?«
    »Lieber fettarm.«
    »Was soll’s.«
    »Na ja, ich …«
    »Nein, nein, so nenn ich den Kaffee. Kein Koffein, kein Fett, also was soll’s?« Sie lachte. Es war ein ansteckendes kehliges Lachen, fast ein wenig vulgär, und Eleanor musste einfach mitlachen.
    »Sind Sie in die Stampede geraten?«
    »Fast. Die armen Kinder.«
    »Bitte, nehmen Sie doch Platz.«
    Eleanor setzte sich auf einen der kleinen Barhocker, während Ruth der Maschine zwei Cappuccino ablistete. Sie trug verwaschene Jeans und ein weites, purpurnes T-Shirt, auf dem der Name des Ladens prangte. Ihr schwarzes Haar wurde von einem roten Stirnband gehalten. Eleanor schätzte sie auf Mitte bis Ende dreißig und stellte überrascht fest, wie attraktiv sie war.
    Sie fragte sich, warum Ruth gerade so erschreckt dreingeschauthatte. Vielleicht rechnete sie ja tatsächlich mit dem Finanzamt. Ruth stellte die Tasse Cappuccino vor sie auf die Theke.
    »Und? Haben Sie schon einen Käufer gefunden?« fragte Eleanor. »Kathy sagte mir, dass Sie einen Partner für Ihr Geschäft suchen.«
    »Haben Sie draußen nicht die lange Schlange gesehen? Ach was, kein Mensch interessiert sich dafür.«
    Eleanor probierte den Kaffee. Er schmeckte gut. Mach schon, ermahnte sie sich, sag’s ihr. Sie stellte die Tasse ab.
    »Nun«, sagte sie, »ich vielleicht schon.«
     
    Buck nahm an, dass das Kalb schon seit ein paar Tagen tot war. Bis auf ein paar Knochen und einige Streifen zerkautes Fell schien die hintere Hälfte fast völlig verschwunden. Der Kadaver lag am oberen Ende eines tiefen Bachbetts, und das, was Vögel und andere Aasfresser übriggelassen hatten, war von der Sonne ausgedörrt. Nat Thomas würde es bestimmt nicht leichthaben, herauszufinden, was hier passiert war.
    Er kniete sich nieder und stocherte mit Messer und Zange zwischen Fliegen und Maden herum. Der Boden war übersät mit Grashüpfern. Nat war, wie auch schon sein Vater vor ihm, seit Jahren der Tierarzt der Calder-Ranch, und Buck hatte ihn gleich angerufen. Er wollte eine unabhängige Meinung, bevor die Bundesbeamten den Kadaver in die Finger bekamen. Sie hatten zwar zugegeben, dass Prince von einem Wolf getötet worden war, aber da Kathy die Bestie mit eigenen Augen gesehen hatte, war ihnen auch kaum etwas anderes übriggeblieben.
    Buck mochte den Typen von Fish & Wildlife nicht, diesen Prior oder wie der sich nannte. Er traute ihm einfach nicht über den Weg. Der andere Kerl, Rimmer, vom Amtfür Wildschäden, der schien in Ordnung zu sein, aber wenn es hart auf hart kam, waren Beamte eben Beamte und in diesem Fall auf Seiten des Wolfs, jeder von denen, ohne Ausnahme.
    Buck stand neben Clyde und blickte Nat über die Schulter. Es war Mittag, die verstreut auf der Wiese liegenden Felsbrocken reflektierten die Hitze. Die einzigen Geräusche waren das leise Klicken der Grashüpfer beim Springen und das gelegentliche Muhen einer Kuh weiter oben im Wald. Buck schwitzte immer noch vom steilen Aufstieg. Sie hatten Nats Wagen unten vor dem Haus stehengelassen und waren in Clydes Lieferwagen hinaufgefahren, aber etwa eine halbe Meile unterhalb des Abhangs war das Gelände dann zu steil geworden. Sie hätten lieber die Pferde nehmen sollen.
    Clyde hatte das Kalb früh am Morgen gefunden, und Buck ärgerte nur, dass Luke nicht längst darauf gestoßen war. Gleich nach dem Auftauchen des Wolfs und Princes Tod hatte er dem Jungen den Auftrag gegeben, die Herde auf die Pachtweiden zu treiben. Wenn Wölfe in der Gegend waren, musste jemand das Vieh im Auge behalten, und da Luke sich hier oben auskannte und sonst zu nichts zu gebrauchen war, konnte er ebensogut diesen Job machen.
    Buck hatte ihn eigens ermahnt, sich nach Kadavern umzusehen, aber der Junge hatte das Kalb nicht entdeckt. Wahrscheinlich steckte er die meiste Zeit mit dem Kopf in den Wolken, träumte vor sich hin, las Bücher oder grub nach alten Knochen oder ähnlichen Dingen. Buck hatte keine Ahnung, wie er aus diesem Sohn jemals einen halbwegs brauchbaren Rancher machen sollte.
    »Und, Nat? Was meinst du?«
    »Ist nicht mehr viel übrig, was?«
    »Wie lang ist es schon tot?«
    »Na ja, drei bis vier Tage

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