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Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Evans
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Mutter wusch die Töpfe in der Küche und schaute nicht mal zu ihm hinüber.
    »Nat Thomas musst du nur einen Zehner geben, dann schwört er dir, dass es der Osterhase war.«
    Wenn seine Mutter so etwas sagte, spürte Luke erst, wie gern er sie hatte.
    Dan hatte ihr viel von Buck Calder erzählt, doch nichts davon hatte Helen auf den Schock der ersten Begegnung vorbereitet. Die schiere Körperlichkeit dieses Mannes war überwältigend. Menschen in seiner Nähe wirkten wie Karpfen neben einem Hai.
    Dan hatte sie unten beim Haus vorgestellt und erklärt, Helen wolle helfen, den Wolf aufzuspüren, und dafür sorgen,dass es bei diesem Einzelgänger bliebe. Sie und Buck hatten sich die Hand gegeben. Seine Hand war riesig und seltsam kühl. Er hatte ihre Hand einen Moment zu lang gehalten, während er sie mit diesen fahlen Augen musterte. Der Blick war so direkt und intim, dass Helen spürte, wie sie rot anlief. Er hatte sie gefragt, ob sie mit ihm im Truck hinauf zur Weide fahren wolle. Sie hatte ein wenig zu rasch »nein, danke« geantwortet, sie wolle mit Dan und Bill Rimmer hinaufreiten. Unterwegs zog Dan sie deshalb auf.
    »Ich schätze, da hast du deine Chance verpasst, Helen.«
    »Himmel! Meine Mom hat so einen Blick immer ›Schlafzimmerblick‹ genannt.«
    »Einen Schlafzimmerblick?«, fragte Bill.
    »Tja, als ich den Ausdruck das erste Mal hörte, war ich noch klein und dachte mir, damit meine sie schläfrig oder so. Aber eines Tages hörte sie dann, wie ich Eddie Horowitz, dem Nachbarjungen, sagte, er habe einen Schlafzimmerblick; und da hat sie mir eine Ohrfeige verpasst.«
    Bill Rimmer lachte laut auf. Er schien ein netter Kerl zu sein.
    Calders Schwiegersohn hatte im Büro in Helena angerufen, als Helen und Dan gerade zur Hütte fahren wollten und deshalb den Toyota mit Helens Sachen und den Tonnen Vorräten beluden, die sie im Supermarkt gekauft hatten. Es lag alles hinten auf der Ladefläche.
    Jetzt standen sie um diesen angeblich von einem Wolf gerissenen Kadaver, während Grashüpfer über ihre Stiefel sprangen.
    Bill Rimmer kniete neben dem Kalb, untersuchte es und ließ sich dabei Zeit. Helen stand neben Dan, der die Untersuchung auf Band aufnahm. Auf der anderen Seite des Kadavers stand Calder mit seinem Schwiegersohn und wartete auf ihr Urteil.
    Es war eine Farce. Dan fand das offenbar auch. Sie hatte seinen Blick aufgefangen, als Clyde die Plane zur Seite schlug. Schwärme von Fliegen erhoben sich von den Kadaverresten. Die Verwesung war bereits so weit fortgeschritten, dass sich unmöglich feststellen lassen würde, wie es den Tod gefunden hatte.
    Irgendwo weiter unten wieherte ein Pferd, und Helen schaute in die Schlucht und sah Calders Sohn zwischen den Felsen zu ihnen heraufreiten. Sie hatte ihn unten am Haus gesehen, doch hatte sich niemand die Mühe gemacht, ihn vorzustellen. Ihr war gleich aufgefallen, wie gut er aussah. Sie hatte sich gefragt, wieso er sich im Hintergrund hielt, nur zuhörte und seinem Vater und Clyde das Reden überließ.
    Einmal hatte Helen ihn ertappt, wie er sie mit seinen leuchtendgrünen Augen anstarrte, und sie hatte gelächelt, doch er hatte den Blick gleich abgewandt. Auf dem Weg hierher hatten sie ihn dann noch einmal gesehen, und Dan sagte ihr, wer er war.
    Luke saß in einiger Entfernung ab, blieb neben seinem Pferd stehen und tätschelte ihm den Hals. Helen lächelte erneut, und diesmal nickte er ihr kurz zu, ehe er zu den Männern hinüberblickte, die um den Kadaver standen.
    Rimmer richtete sich auf.
    »Und?«, fragte Calder.
    Rimmer holte tief Luft, ehe er Antwort gab.
    »Sie sagten, Nat Thomas habe dies erst heute morgen gesehen?«
    »Vor etwa drei Stunden.«
    »Tja, ich weiß nicht, wie er behaupten kann, dass dieses Tier von einem Wolf getötet wurde.«
    Calder zuckte die Achseln. »Erfahrung, vermutlich.«
    Rimmer überhörte die Beleidigung. »Verstehen Sie, füreine genaue Aussage ist einfach nicht mehr genug übrig. Wir könnten den Kadaver allerdings mitnehmen und untersuchen lassen …«
    »Dafür wäre Nat wohl der geeignetere Mann«, unterbrach ihn Calder.
    »Nun, das ist Ihre Entscheidung, Sir. Aber ich fürchte, eine Untersuchung wird uns auch keinen genaueren Aufschluss geben. Dan und Helen hier haben schon oft von Raubtieren gerissenes Vieh untersucht. Dan, was meinst du?«
    »Ich fürchte, ich muss dir da recht geben.«
    »Was für eine Überraschung«, erwiderte Calder sarkastisch. »Miss Ross? Wollen Sie uns nicht auch Ihre Ansicht

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