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Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Evans
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schön«, flüsterte sie Buzz zu und öffnete die Tür des Pick-up. »Dann wollen wir mal.«
    Sie warf die Tür zu und ging über den von Unkraut überwucherten Kiesweg zum Haus. Sie hatte sich bereits zurechtgelegt, wie sie beginnen wollte. Es brachte nichts, irgend jemandem Vorwürfe wegen der Fallen zu machen. Sie würde sie nicht mal erwähnen und sich ganz freundlich und ungezwungen geben.
    »Guten Abend!«, rief sie mit fröhlicher Stimme.
    »Hä?« Das war nicht gerade ermutigend, aber immerhin ein Anfang.
    Als sie die Stufen erreichte, die zur Veranda hinaufführten, knurrte einer der Hunde hinter der Hausecke. Ohne den Blick von Helen abzuwenden, herrschte Abe ihn an, still zu sein. Er war ein hagerer, drahtiger Mann mit tiefliegenden, gequält dreinblickenden Augen. Er trug einen verblichenen, fleckigen Hut, Jeans, ein langärmliges Unterhemd und keine Stiefel; die Zehen lugten durch ein Loch in den Socken.
    Helen schätzte ihn auf Mitte bis Ende fünfzig. Ruth Michaels hatte ihr erzählt, er habe sich dieses Haus gekauft, als er aus Vietnam zurückgekommen war. Doch dass dieser misstrauische, gehetzte Blick auf den Krieg zurückzuführen war, konnte man nur ahnen. Vielleicht kam er auch vom beengten Leben an diesem elenden Ort, immer mit dem Rücken zur Wand.
    Helen streckte ihm ihre Hand entgegen: »Mr. Harding. Ich bin Helen Ross von …«
    »Ich weiß, wer Sie sind.«
    Er betrachtete ihre Hand, und einen Augenblick lang glaubte sie, er würde sie nicht nehmen. Doch schließlich, als täte er es gegen seinen Willen, griff er danach.
    »Hübsches Haus haben Sie hier.«
    Er schnaubte verächtlich. Sie konnte es ihm nicht verdenken.
    »Wollen Sie es kaufen?«
    Helen lachte ein wenig zu laut.
    »Wär schön, wenn ich mir das leisten könnte.«
    »Nach all dem, was man so hört, werdet ihr Regierungsleute verdammt gut bezahlt. Diese Unsummen Steuergelder, die ihr uns abknöpft …«
    »Tja, ich hätte auch gern gewusst, wo
die
bleiben.«
    Harding drehte den Kopf zur Seite und spuckte schwarzen Tabaksaft aus. Er landete mit einem klatschenden Geräusch im Staub neben den Stufen. Die Sache lief nicht so gut, wie Helen gehofft hatte. Er schaute sie wieder an.
    »Was wollen Sie?«
    »Wie Sie wissen, Mr. Harding, hat man mir aufgetragen, den Wolf zu fangen, der vor kurzem den Hund von Kathy Hicks gerissen hat. Ich wollte einfach nur mal vorbeischauen, so wie bei allen anderen Nachbarn auch, na ja, Sie wissen schon, hallo sagen, mich vorstellen und so …« Sie kam sich ziemlich dumm vor.
    »Also haben Sie ihn immer noch nicht.«
    »Noch nicht, nein. Aber ich versuch’s, und ich gebe mir wirklich große Mühe!« Sie lachte nervös.
    »Aha.«
    Sie konnte den Fernseher im Haus hören. Dem Gelächter nach zu urteilen, lief eine Komödie. Dann spürte Helen plötzlich, dass sie vom Haus aus beobachtet wurde. Einer von Hardings Söhnen starrte durch ein Fliegengitterfenster, das vermutlich zur Küche gehörte. Gleich darauf gesellte sich sein Bruder zu ihm. Sie versuchte, sie zu ignorieren, und gab sich weiterhin unbekümmert.
    »Natürlich ist es nicht so leicht herauszufinden, wo er sich herumtreibt.«
    »Vermutlich reißt er unsere Kühe oben auf den Pachtweiden. Hat ja offenbar schon eins von Calders Kälbern erwischt.«
    »Tja, dem Kadaver nach zu urteilen war das keineswegs so klar …«
    »Quatsch.« Er schüttelte den Kopf und wandte den Blick ab. »Ihr habt doch keine Ahnung.«
    Helen schluckte. »Einige der Rancher, unter ihnen übrigens auch Mr. Calder, haben mir freundlicherweise erlaubt, ihr Land zu betreten. Sie wissen schon, um nach Spuren, Losung und ähnlichem zu suchen.« Sie lachte, wusste aber eigentlich nicht, warum. »Natürlich unter der Bedingung, dass ich vorsichtig bin, Weidegatter schließe und so weiter. Und da habe ich mich gefragt, ob es Ihnen recht wäre, wenn ich …«
    »Dass Sie auf meinem Land herumschnüffeln?«
    »Nun, nicht ›herumschnüffeln‹, aber …«
    »Verflucht noch mal, nein, können Sie nicht.«
    »Oh.«
    »Glauben Sie vielleicht, ich lasse zu, dass ihr gottverdammten Regierungsleute über mein Land trampelt und eure Nase in meine Angelegenheiten steckt?«
    »Na ja, ich …«
    »Sie sind wohl nicht ganz bei Trost, wie?«
    »Tut mir leid.«
    »Verschwinden Sie.«
    Die beiden Hunde kamen hinter dem Haus hervor. Der eine stieß ein tiefes Knurren aus, und Abe befahl ihm, still zu sein. Aus den Augenwinkeln konnte Helen die beiden Jungen hinter dem Fliegengitterfenster

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