Im Kreis des Wolfs
grinsen sehen. Helen lächelte Harding tapfer an.
»Tut mir wirklich leid, dass ich Sie belästigt habe.«
»Hauen Sie ab.«
Sie drehte sich um und ging zurück zu ihrem Wagen. Wieder klang schallendes Gelächter aus dem Fernseher. Ihre Knie zitterten. Hoffentlich konnte man das nicht sehen. Plötzlich hörte sie ein scharrendes Geräusch hinter sich, und noch bevor sie sich umdrehen konnte, hatte der erste Hund sie angefallen. Die Wucht des Aufpralls warf sie der Länge nach zu Boden.
Jetzt griffen beide Hunde sie an, der eine zerrte an ihrem Oberschenkel, der andere am Fußgelenk. Sie knurrten furchterregend, während ihre Zähne die Hose zerfetzten. Sie schrie und trat nach ihnen. Harding rannte auf Helen zu, brüllte die Hunde an und rief sie zurück.
Sie hörten ebenso plötzlich auf, wie sie begonnen hatten. Schuldbewusst schlichen sie davon. Harding hob einen Stein auf, warf ihn hinterher, und einer der Hunde jaulte auf. Helen blieb vor Schreck einen Moment reglos liegen. Ihre Hose war zerrissen, aber Blut war nicht zu sehen. Sie setzte sich auf.
»Alles okay?«
Der Ton war nicht gerade mitfühlend. Harding stand über sie gebeugt.
»Ich glaub schon.«
Helen stand auf und klopfte sich den Staub ab.
»Dann machen Sie sich lieber auf den Weg.«
»Tja, das sollte ich wohl.«
Sie ging zu ihrem Pick-up, ließ aber keine Sekunde die Hunde aus den Augen. Sie fühlte sich erst sicher, als sie im Wagen saß und die Tür hinter sich zuschlug.
Es war schon fast dunkel. Harding sah zu, wie sie das Auto wendete. Das Licht der Scheinwerfer wanderte über ihn hinweg. Und als sie mit klopfendem Herzen die Auffahrt hinunterfuhr, rollten ihr die ersten Tränen über die Wangen. Sie weinte während der ganzen Fahrt.
13
Hopes Jahrmarktplatz hatte schon bessere Tage gesehen. Er lag am Ende der Stadt auf staubigem Weideland und beherbergte die meiste Zeit des Jahres nur Wildkaninchen und Ziesel, manchmal aber hielt auch eine Bande Jugendlicher hier ihre verbotenen mitternächtlichen Autorennen ab.
Die Geländer um Pferche und Rodeoarena hatten seit Jahren keine Farbe mehr gesehen, und die Tribüne war so wacklig und das Holz der Bänke so splittrig, dass sich nur die Wagemutigen und gut Gepolsterten darauf setzten. Außen herum standen verstreut einige Buden, deren Dächer sich in den Winterstürmen seltsam verzogen hatten und Nistgelegenheiten für allerlei Vögel boten.
Früher war es auf diesem Platz das ganze Jahr über auf Handwerksmärkten, bei Wettschießen, diversen Paraden und Rodeos lebhaft zugegangen. Es hatte sogar ein jährliches Treffen der »Bergmenschen« gegeben, zu dem sich Männer mit Bärten und Lederhosen aus mehreren Nachbarstaaten einfanden, sowie ein »Hodenfestival«, das sich eine Zeitlang sogar noch größerer Beliebtheit erfreute, allerdings wohl kaum bei den Kälbern, die das als Festschmaus lieferten, was man mit der Bezeichnung »Prärieaustern« umschrieb. »Ach du dickes Ei! – Auf nach Hope!« priesen die Plakate das Ereignis an, aber im Lauf der Jahre waren kaum noch Leute gekommen.
Schließlich hatte es fast keine Veranstaltungen mehr in dieser Gegend gegeben. Übriggeblieben waren allein Hopes Jahrmarkt und Rodeo am Labor Day, und selbst dieses Fest musste unter großem Konkurrenzdruck seinen Namen ändern, auf Mitte September verlegt und von drei Tagen auf einen einzigen Samstag reduziert werden.
Die Höhepunkte des Jahrmarkts waren immer ein Konzertsowie ein Heugabelfondue, bei dem Rindfleischstücke, groß wie kleine Hunde, aufgespießt und in Fässern mit kochendem Öl gebraten wurden. In früheren Jahren hatte das Konzept kleinere und größere Stars der Countrymusik angelockt, in diesem Jahr aber waren Rikki Rain and the Ragged Wranglers, die eigens aus Billings angereist waren, die Hauptattraktion. Ein paar Minuten lang sah es so aus, als würden sie dahin auch gleich wieder zurückfahren, ohne auch nur eine einzige Note gespielt zu haben.
Sie hatten ihre schwarzen Caravans bei den Pferchen abgestellt, und als sie ausstiegen, war das erste, worauf Rikkis Blick fiel, ein Plakat, auf das jemand
Werf
direkt unter ihren Namen gekritzelt hatte.
Buck Calder und einige Mitglieder des Festkomitees, die zu ihrer Begrüßung erschienen waren, hatten sich ein paar ziemlich deutliche Kommentare dazu anhören müssen, wohin sie sich ihren gottverdammten, kuhmistblöden Jahrmarkt stecken konnten. Das anstößige Plakat wurde rasch entfernt, und schließlich schienen der
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