Im Kühlfach nebenan
hatte.
Das Ganze hatte bisher kaum dreißig Sekunden gedauert und ging unglaublich glatt über die Bühne. Die Typen waren durch das
Tor gekommen, durch das auch die Baumaterialien angeliefert wurden und das mit einem lächerlichen Vorhängeschloss der Marke
»Einmal-anguckenschon-offen« ausgestattet war.
Die Kidnapper hatten einen metallicschwarzen Chrysler Dodge Cargo Sprinter vor das Tor gefahren, öffneten jetzt die hintere
Ladeklappe und schoben die Mädels hinein. Keine hatte Zeit gehabt, nach ihrem Handy zu greifen, auch Birgit nicht, denn ihres
lag in ihrer Tasche auf dem schmalen Bett in ihrer neuen Unterkunft.
Ein paar Nonnen tauchten im Klosterhof auf, anscheinend hatten sie die Schreie gehört. Der Van mit den Mädels und die beiden
Karren mit den Kidnappern waren |198| weg, bevor eine der Nonnen auf die Idee kam, statt jede Kammer einzeln zu inspizieren, lieber gleich die Bullen zu rufen.
Die gelackte Loddelbande war also mitsamt der Frischware auf der Cargo-Pritsche längst über die hintere Zufahrt an den Kleingärten
vorbei verschwunden, bevor die gute Mutter Oberin die 112 wählte.
Marlene hatte endlich aufgehört zu brüllen und war in Schweigen verfallen. Akustisch eigentlich ganz angenehm, aber für den
anstehenden Handlungsbedarf äußerst ungeeignet.
»Marlene, bleib bei den Mädels und halte, solange es geht, Kontakt zu mir«, rief ich ihr zu. Marlene hing immer noch verstört
und strubbelig im Klosterhof herum. »Lenchen, Klappe, Action, los! Bleib bei deinen Schäfchen. Und halte dich weit über dem
Van, damit ich dich wiederfinden kann.« Sie sammelte sich etwas, murmelte wie hypnotisiert »meine Schäfchen«, und düste los.
Ich auch, aber in die entgegengesetzte Richtung. Ich musste zu Martin und ihm die Infos und das Nummernschild des Vans durchgeben,
damit er die Bullen informieren konnte. Ich flog, so schnell ich konnte.
Martin hockte im Schneidersitz auf seinem Bett, das von einem riesigen Moskitonetz völlig umhüllt wurde. In der Decke waren
vier Haken angebracht, an denen das kastenartig geschnittene, rundum geschlossene, sehr dichte, metallbedampfte Gewebe hing.
An einer Seite war ein Reißverschluss. Er war zu. Selbst unter dem Bett lag eine entsprechend große Matte auf dem Boden, die
mit Reißverschlüssen an dem Netz befestigt war. Auf was für einem Trip war er denn jetzt wieder?
Martin hielt sein Handy in der linken Hand und glotzte
|199| begeistert auf das Display. Ich rief nach ihm, aber er schien mich nicht zu hören. Kein Problem, dann müsste ich ihm eben
etwas näher auf die Pelle rücken. Ich düste auf das engmaschige Netz zu, wollte hindurchzischen und – prallte ab. Scheiße,
was sollte das?
Ich flog ganz nah an das Netz heran und konnte sehen, dass das Display »kein Empfang« anzeigte. Darüber schien Martin sich
sehr zu freuen. »Martin«, rief ich. Keine Reaktion. »Martin!!!« Nichts. Ich düste in den Flur, zischte zwischen den Feldstärke-Dingsbums-Platten
hin und her, aber nichts tat sich. Offenbar war diese Anlage ausgeschaltet, während Martin mit der neuesten Abschirmungstechnik
spielte. Ich versuchte es erneut, aber ich kam beim besten Willen nicht zu Martin durch. Ich wurde nervös. Sah die Verpackung
des Moskitonetzes neben dem Bett und las »Abschirmnetz gegen Elektrosmog – Schlafen Sie ruhig und sicher«. Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Hatte die Elektrosmoghysterie tatsächlich eine funktionsfähige
Abschirmung hervorgebracht. Ich freute mich wirklich für alle Hypochonder, Fortschrittsfürchter und Rauchzeichenfetischisten,
denen ich das Netz auch wirklich gönnte. Aber Martin hatte sich definitiv den ganz falschen Zeitpunkt für seine Geisteraustreibung
ausgesucht. Ich musste mir etwas anderes einfallen lassen.
Ich verließ Martin und raste wieder Richtung Mariental, funkte in alle Richtungen, um Kontakt mit Marlene aufzunehmen, und
bekam endlich eine Antwort. »Wo seid ihr?«, fragte ich. Sie gab mir ihren Standort ordentlich mit Straßennamen durch, als
würde sie mit dem Finger auf dem Stadtplan entlangfahren.
Schön, dass ich jetzt auch Bescheid wusste. Damit waren |200| wir also schon zwei. Eine vergeistigte Nonne und ein toter Autodieb, dessen einziger Kontaktmann gerade die totale Elektrosmog-Abschirmung
übte. Alleine konnten wir den Mädels nicht helfen. Ich musste also einen Weg finden, unser schlaues, aber bisher nutzloses
Wissen weiterzugeben. Und zwar
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