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Im Kühlfach nebenan

Titel: Im Kühlfach nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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gedrungen. Eine der Frauen hat ihrer Mutter verraten, wo sie sich
     befindet. Ihr seid in Gefahr. Birgit will herausfinden, wann sie diese Information weitergegeben hat und wie. Und wer der
     Zuhälter der betreffenden Tussi ist, damit man ihn beschatten kann für den Fall, dass er herausfindet, wo sich sein Pferd…,
     äh, seine, äh, Mitarbeiterin versteckt.«
    Marlene war so verärgert, dass sie keinem Argument zugänglich war. Sie tobte in einer geradezu weiß glühenden Wutwolke um
     mich herum und beschimpfte mich, dass ich Mühe hatte, dem eigentlichen Geschehen zu folgen.
    Birgit hatte inzwischen ihre Tasche abgestellt und sich in dem kleinen Zimmerchen ausgiebig umgesehen. Viel gab es ja nicht
     zu entdecken. Ein schmales Bett mit Nachttisch, in dessen Schublade   – Überraschung! – eine Bibel lag. Ein Tisch, ein Stuhl, ein schmaler Schrank und der allgegenwärtige Jesus, der mit hängendem
     Kopf an seinem Kreuz hing und Trübsal verbreitete. Irgendein Scherzkeks hatte einen grünen Zweig hinter das Kreuz gesteckt.
     Wenn das als freundliche Frühlingsdeko gedacht war, verfehlte es seine Wirkung aber um galaktische Dimensionen. Das Kraut
     war vertrocknet und staubig und sah mindestens genauso tot aus wie der Kerl am Kreuz. Ich konnte Birgits Gedanken nicht lesen,
     aber ihr Gesichtsausdruck sprach eine deutliche Sprache. Sie ließ ihre Tasche auf dem Bett stehen und begab sich in den Aufenthaltsraum.
     Die anderen begrüßten sie herzlich, stellten sich vor, fragten Birgit nach ihrem Namen und wollten wohl weitere Fragen stellen,
     aber Birgit schwieg mit Tränen in den Augen und kniff die Lippen zusammen. Niemand nahm ihr das übel. Vermutlich waren alle
     Weiber so depri drauf gewesen, als sie hier ankamen.
    |196| »Willst du einen Tee?«, fragte die Wortführerin. Danny, wenn ich richtig aufgepasst hatte. Sie war groß, klapperdürr, hatte
     lange, braune Haare und wäre mit zwanzig Kilo mehr auf den Knochen wahrscheinlich sogar hübsch gewesen. So sah sie aus wie
     das Anschauungsskelett aus dem Biologieunterricht, dem jemand ein paar Klamotten drangetackert hatte.
    Birgit nickte.
    »Hast du Familie hier in der Stadt?« Birgit schüttelte den Kopf. »Hast du woanders jemanden, wo du hinkannst?« Birgit nickte.
     »Aber«, flüsterte sie, vielleicht weil sie sich schämte, dass sie die Mädels anlügen musste, »aber ich traue mich nicht, allein
     hinzufahren. Und abholen kann mich ja niemand, weil ich keinem sagen darf, wo ich bin.« Peinliches Schweigen breitete sich
     aus. In dem Moment tauchte Marlene wieder auf. »Ich will, dass sie sofort das Kloster verlässt.«
    »Dann sag es ihr doch«, ranzte ich sie an. Verdammt, ich war muffig, weil ich nicht mitbekam, was die Weiber unter mir sabbelten.
     »Ich kann keinen Kontakt mit ihr herstellen, wie du weißt«, sagte Marlene eingeschnappt. »Ich auch nicht«, giftete ich zurück.
     Das Gespräch im Aufenthaltsraum drehte sich in die richtige Richtung, die Mädels zickten sich gegenseitig an, weil eine ihren
     Aufenthaltsort an jemanden Außenstehenden, also an eine Nicht-Hilfebedürftige verraten hatte. Die Petze war nicht Danny, es
     war die Kleine, die ich bei meiner Erkundigung belauscht hatte, aber ich konnte wegen Marlenes Geschrei nicht hören, was sie
     sich gegenseitig an den Kopf warfen.
    In dem Moment flog die Tür auf. Zwei riesige Kerle in schwarzen Lederjacken stürmten in den Raum, vier weitere |197| folgten, jeder griff sich zwei Tussen und zerrte sie an den Haaren oder dem Arm, oder wo er sie gerade zu fassen bekam, auf
     den Flur. Dort wurden bereits die anderen Mädels aus ihren Zimmern gezerrt und in Richtung Treppe geschleift. Einige der Nutten
     schrien sich die Seele aus dem Leib, aber nicht lange. Auf dem Flur stand ein Typ, der im Akkord Klebeband auf kreischende
     Münder klebte. Auf alle, auch die, die vor Schreck still geblieben waren. Ein zweiter fixierte mit Kabelbindern die Hände
     der Mädels auf dem Rücken. Als auch das letzte Schreirohr geschlossen war, wurde es geradezu unheimlich still. Nur Marlene
     schrie, so laut sie konnte, aber damit machte sie ausschließlich mich wahnsinnig. Ich kreiste wie wild über dem Geschehen
     und versuchte den Überblick zu behalten. Was war denn das jetzt für eine Aktion? Ich musste zusehen, dass ich bei Birgit blieb,
     die mit weit aufgerissenen Augen, zugeklebtem Mund und gefesselten Händen hinter dem Typ herwankte, dessen linke Hand sich
     in ihr langes Haar gekrallt

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