Im Kühlfach nebenan
rapido. Als ich in Mariental ankam, hoffte ich, ein paar Bullen anzutreffen. Nie in meinem
Leben hatte ich einen perverseren Wunsch verspürt.
Ich erreichte das Kloster gleichzeitig mit der Blaulichtschaukel und hörte mir die Aussagen der Nonnen mit an. Ja, ein Kidnapping.
Fluchtwagen? Ein großes Auto. Fluchtrichtung? Keine Ahnung. Na, super.
Ich flog etwas höher, um Kontakt zu Marlene zu bekommen, als mich plötzlich eine fiese Strahlung kitzelte. Radiowellen.
Das war’s. Auf dem Klostervorplatz stand immer noch der Übertragungswagen des WDR. Auf dem Dach eine fette Antenne, in deren Sendestrahl ich gerade hineingeflogen war. Dieser Ü war der reinste Elektrosmog-Horror.
Drahtlose Mikrofone, Richtfunk zur Basisstation, die das Signal im Land verteilt. Das reinste Wellenreiten.
Einen Versuch war es wohl wert, denn eine andere Idee der fixen Kontaktaufnahme mit der Welt der Lebenden hatte ich leider
nicht. Ich wappnete mich also und flog in den Richtfunkstrahl der Dachantenne. Ich wurde förmlich durchgequirlt, hatte echt
Mühe, meine eigenen Gedanken zusammenzuhalten. Was wollte ich doch noch gleich hier? »Achtung«, dachte ich mit der gesamten
Intensität, die ich in diesem Wellenwirbel zusammenkratzen konnte.
Das Geplärre aus den Lautsprechern ging unverdünnt weiter. Ich versuchte es noch mal. »Achtung, Achtung, dies ist eine wichtige
Durchsage für die Polizei.«
|201| Fehlanzeige.
Ich fühlte mich inzwischen wie in einem Hurrikan. Zerzaust, zerfleddert, zerfetzt geradezu. Mir schien, dass mein Signal gegen
das Gebläse aus dem Riesenrohr nicht ankam. Verdammt.
Gewissermaßen atemlos verließ ich den Funkstrahl und fühlte mich gleich um Welten besser. Aber nur, bis mir klar wurde, dass
ich mir zwar jetzt meine ungewollte Fönfrisur wieder geradebiegen konnte, die Mädels allerdings immer noch in der Hand ihrer
Kidnapper waren. Ich stieg höher und ließ mir von Marlene den aktuellen Standort des Vans geben. Dann stieß ich wie ein Flugsaurier
auf Beutezug wieder hinab zum Ü-Wagen . Ich musste es an einer anderen Stelle versuchen.
Die Moderatorenmutti las gerade irgendwelche Beiträge von ihrem Zettel ab. Ich hängte mich an den Antennenstummel ihres Funkmikros
und schrie wieder mein »Achtung, Achtung«.
Meine Worte schallten über den Platz. Meine Stimme! Seit Monaten hatte ich sie nicht gehört und plötzlich tönte sie aus allen
Lautsprechern. Ein bisschen blechern, aber trotzdem unverkennbar mein Tonfall. Mit dem richtigen Hilfsmittel kann der galaktische
Spiralnebel also auch ohne Stimmbänder noch sprechen. Geil! Die Mikrotussi war genauso verblüfft wie ich. Nach einer Schrecksekunde
drehte sie sich zu ihrer Tontechnikerin am Mischpult um und fragte sie mit der international verständlichen Geste: »Hey, du
Tontaube, was soll das?« Die Tontaube glotzte ihre Schalttafel an, dann die Moderatorin und zuckte die Schultern.
Diesen Moment der Verwirrung musste ich nutzen, bevor jemand auf die Idee kam, dem Mikro den Saft abzudrehen. Ich räusperte
mir die Rührung aus der Kehle und quatschte schnell weiter.
|202| »Achtung, dies ist eine Durchsage für die Polizisten, die …«
Scheiße, was sollte ich jetzt sagen? Wenn ich hier in aller Öffentlichkeit erzählte, dass ein paar Nutten aus dem Kloster
gekidnappt worden waren, wusste innerhalb von fünf Minuten jeder Zuhälter über die Zuflucht Bescheid, und das Kloster war
als Frauenhaus verbrannt.
»Eine Durchsage für die Polizisten, die den Vorfall im Kloster Mariental untersuchen.« Auf dem Platz entstand Unruhe. »Vorfall?
Hier? Hä? Was für ein Vorfall? Hast du etwas bemerkt?«, wurde hin und her geraunt. Die Leute reckten die Hälse, konnten aber,
da der Ü-Wagen den Blick versperrte, außer den Turmspitzen nichts vom Kloster sehen. Die Moderatorenmaus hielt ihr Mikro am ausgestreckten
Arm von sich weg, als würde es sie in die Nase beißen, wenn sie es näher an sich heranließe. Die Tontaube schob Regler hin
und her und gab Zeichen, das Mikro abzuschalten. Nein! Das durfte auf keinen Fall passieren.
»Lassen Sie das Mikro eingeschaltet«, brüllte ich. »Es dient einer polizeilichen Ermittlung.« Die Radiodamen sahen sich erschrocken
an. Dann stahl sich langsam ein Lächeln auf das Gesicht der Sendeschnepfe. Na, endlich! Sie hatte erkannt, dass dieser unerwartete
Zwischenfall dem Bekanntheitsgrad ihrer Sendung sicherlich nicht schaden würde. Das Mikro blieb an.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher