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Im Kühlfach nebenan

Titel: Im Kühlfach nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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konnte.
    Ein Chrysler Dodge Cargo Sprinter ist, wie alle modernen Autos, ein Hightechgeschoss, an dem einzig die Scheibenwischer noch
     ein Überbleibsel der mechanischen Grundidee sind. Alles andere ist elektronisch geregelt. Da musste ich dazwischen. Natürlich
     brauchte ich eine drahtlose Übertragung, um in einen elektronischen Schaltkreis einzugreifen, daher konnte ich nicht einfach
     die Zündung abschalten. Schade. Aber irgendwo musste es doch in so einer Karre auch eine drahtlose Funkverbindung geben. Wie
     bei der Zentralverriegelung, die man ja auch mit dem Druckknopf auf dem Schlüssel fernsteuern kann. Probehalber jagte ich
     einen Impuls in die Schließanlage und tatsächlich, alle Türverriegelungen rasteten mit dem bekannten »Tschack« ein. Der Beifahrer
     glotzte auf das Verriegelungsknöpfchen neben seinem Ellbogen, glotzte den Fahrer an, der beide Hände die ganze Zeit über fest
     am Lenkrad gehalten hatte, holte Luft, als wolle er etwas sagen, und erstarrte zur Reglosigkeit, als das Verriegelungsknöpfchen
     die Sperre wieder löste. »Tschack«. Sein blödes Gesicht war ein Schenkelklopfer. Das musste doch zu toppen sein.
    Diese Karren haben für jeden Schlüssel eine definierte Sitzeinstellung. Wenn also mehrere Fahrer den Wagen benutzen, muss
     nicht jeder immer wieder von Hand den Sitz und die Spiegel auf die gewünschte Position stellen, das |206| wäre ja viel zu sportlich. Stattdessen benutzt jeder einen eigenen Schlüssel und die Bordelektronik gibt je nach Schlüssel
     das Signal an die kleinen Elektromotoren zur Einstellung der unter dem Schlüssel gespeicherten Positionen. Nun wusste ich
     nicht, wie viele Schlüssel mit welchen Codierungen es gab, und ich kannte auch die Codierungen nicht, aber ein Versuch ins
     Blaue hinein würde nicht schaden. Ich sammelte also alle meine Energie und raste auf den Empfangssensor der Schlüsselfernsteuerung
     zu. Augenblicklich senkte sich der Fahrersitz und glitt langsam zurück. Der Fahrer hatte Mühe, mit den Füßen am Gaspedal zu
     bleiben. Ein Brüller.
    »Hey, was ist los?«, fragte der Beifahrer. »Ey, Scheiße, ey, weiß auch nicht«, stammelte der Fahrer, der mit einer Hand das
     Lenkrad festhielt, während er mit der anderen hektisch am Fahrersitz nach dem Hebel tastete, mit dem er den Sitz wieder nach
     vorn stellen konnte. Er fuhr Schlangenlinien.
    Vielleicht hatte ich doch übertrieben, ich wollte doch nicht, dass der Idiot einen Unfall baut. Stattdessen schaltete ich
     die Sitzheizung an. Bei fast fünfundzwanzig Grad Außentemperatur würden ihm bald die Eier kochen.
    »Die Karre spinnt«, brüllte der Fahrer. »Scheiße Mann, so was habe ich noch nie erlebt.« Seine Stirn glänzte inzwischen genauso
     nass wie die öligen Haare, auf seinem Hemd breiteten sich Schweißflecken aus. Er öffnete das Fenster. »Zum Glück ist es nicht
     mehr weit bis zur Spedition«, murmelte er, während er sich den Schweiß aus den Augen wischte.
    Mist! Wo blieben die Bullen? Ich düste zurück zum Kloster. Die beiden Uniformierten standen inzwischen auf der Bühne des Ü-Wagens und stellten der Moderatorin blöde Fragen, die sie natürlich nicht beantworten konnte. |207| Auch die Tontaube hatte ihr Schaltpult verlassen und gestikulierte abwehrend.
    »Verdammt, wo bleiben die Bullen?«, brüllte ich ins Mikro.
    Ein kollektives Zucken ging durch die Figuren auf dem Wagen und die Zuschauer. »Der Van hat sein Ziel bald erreicht. Wenn
     die Idioten sich dort verschanzen, gibt es ein Blutbad.« Der Bulle, der eben die Verstärkung gerufen hatte, griffelte sich
     das zweite Mikrofon, schaltete es mithilfe der Moderatorentussi ein und sprach langsam und deutlich: »Sie sind unterwegs,
     es kann sich nur noch um Sekunden handeln.«
    »Leg das Mikro wieder hin«, blaffte ich ihn durch dasselbe Mikro an. »Oder willst du den Gangstern in einer Live-Reportage
     erklären, von welcher Seite die Kollegen gerade kommen?«
    Er legte das Mikro ab, als habe er sich furchtbar die Finger daran verbrannt. Immerhin ließ er es eingeschaltet, sodass ich
     jetzt zwei Laberlollis hatte. Einen unten auf der Bühne und einen auf dem Dach des Trucks für den besseren Überblick.
    »Ist Gregor dabei?«, fragte ich. Er nickte nur.
    »Gut.«
    Ich düste zurück zum Van, überholte die betende Marlene, die ein bisschen zurückgefallen war, vielleicht, weil sie noch nicht
     so viel Übung im Schnellflug hatte, und drehte eine großzügige Runde. Von vier Seiten näherten sich

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