Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Kühlfach nebenan

Titel: Im Kühlfach nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
Vom Netzwerk:
ihn im Schlachthaus, äh, Sektionssaal. Er sägte gerade
     den Schädel einer haarlosen Leiche auf. »Martin, du musst Birgit anrufen. Sofort.« Die Säge rutschte ab und schwupps, war
     das linke Ohr weg.
    Der zappelige Typ am Fußende des Leichentisches, vermutlich jemand von der Staatsanwaltschaft oder einer Versicherung, die
     die Rechtmäßigkeit eines Anspruches überprüfen lassen wollte, starrte entsetzt auf das Ohr, das mit einem satten Klatschen
     auf dem Fußboden landete.
    »Was ist los?«, fragte Martins Kollege, der das ausgeschaltete Diktiergerät locker in der linken Hand hielt. Bei dem Lärm
     der elektrischen Knochensäge konnte er nicht gleichzeitig den Fortgang der Obduktion dokumentieren. »Krampf im Mittelfinger«,
     knurrte Martin.
    Hoppla! Diese Formulierung hatte er von mir. Martin hatte noch nie den Ein-Finger-Gruß gezeigt und würde das sicher auch nie
     tun, daher würde er in diesem Finger auch niemals einen Krampf bekommen. Aber es machte mich stolz, dass er von mir lernte.
    Die Augen des Kollegen verengten sich. Er grinste. »Ich glaube, ich habe noch Sekundenkleber im Schreibtisch.« »Könnten Sie
     Ihre groben Späßchen bitte unterlassen und die Obduktion zu Ende führen?«, fragte die zappelige Gestalt vom Fußende der Leiche
     her.
    »Sicher«, sagte Martin. »Sofort.« Er bückte sich, hob das Ohr auf, wischte es oberflächlich ab und legte es neben die Leiche
     auf den Edelstahl. Dann hebelte er den Schädel auf. Der Zappelfritze konnte von seinem Standort nicht in den Schädel hineinschauen. |261| Das war vielleicht auch besser so. Mir jedenfalls waren inzwischen die Bauchhöhle mit ihren diversen Organen und der Brustkorb
     mit der Lunge ein vertrauter Anblick, aber ein menschliches Gehirn im aufgesägten Schädel fand ich immer noch eklig. Ich musste
     dabei immer an einen Indiana-Jones-Film denken, wo Indy eine Affenhirnsuppe mit Augapfeleinlage essen sollte. Igitt. Er mochte
     das auch nicht.
    »Was ist denn los?«, fragte Martin in Gedanken, während er das Denkorgan der Leiche aus der Schädelhöhle hob.
    Ich erklärte ihm die Verbindung von Baumeister zu Birgits Arbeitgeber und petzte auch gleich, dass der Sack offenbar einen
     finalen Anschlag auf die Oberin plante. Martin wurde blass.
    »Und was soll ich jetzt tun?«, fragte er. Das Gehirn hielt er immer noch in der Hand. Sein Kollege machte bereits ungeduldige
     Zeichen mit den Augen. Der Zappeldackel am Fußende wischte sich mit dem Hemdärmel Schweißperlen von der schneeweißen Stirn.
    »Birgit muss dem Berater stecken, dass Baumeister in das Visier unserer werten Kriminalpolizei geraten ist, damit der Kredit
     nicht bewilligt wird.« Martin willigte ein, sie gleich anzurufen und ihr die Bitte vorzutragen, besann sich auf das Hirn in
     seinen Händen und ließ es auf die Waage gleiten. In dem Moment, in dem sich die graue Masse mit einem schmatzenden Geräusch
     auf der Ablageschale festsaugte, stürmte der Zuschauer mit auf den Mund gepressten Händen aus dem Saal.
    »Was ist denn mit dem los?«, fragte Martin verblüfft. »Neid vermutlich«, sagte der Kollege und zuckte die Schultern. »Anderthalb
     Kilo sind ja auch echt nobelpreisverdächtig.«

|262| dreizehn
    Ich traf Baumeister und Marlene im Kloster. Hätte Marlene Wangen und einen Kreislauf besessen, wären Erstere rot und der Zweitgenannte
     auf Hochtouren unterwegs gewesen. Baumeister hingegen kämpfte inzwischen nicht mehr nur mit einem lasergesteuerten Entfernungsmessgerät,
     sondern auch mit seinem Blutdruck.
    »Geben Sie mir das Teil noch mal«, sagte sein Assistent. Baumeister drückte ihm mit unnötigem Nachdruck das Gerät in die Hand,
     der Assistent hielt den Apparat in Zigarettenschachtelgröße mit der Rückseite gegen die Wand der Bibliothek und drückte auf
     den Knopf. Ein Laserstrahl schoss vorn aus dem Gerät, eine Digitalanzeige gab die Entfernung zur gegenüberliegenden Wand an.
     Millimetergenau. Der Zollstock für Faule.
    Baumeister riss dem Assistenten das Messgerät aus der Hand, knallte es an die Wand, drückte auf den Knopf und starrte auf
     die Digitalanzeige, die zwei Meter zwanzig anzeigte, dann achtzehn Meter, dann alle möglichen Maße dazwischen. Die Ziffern
     rasten rauf und runter.
    »O Mann«, stöhnte Marlene. »Wie oft muss ich das Spiel noch durchexerzieren, bis er merkt, dass es bei ihm nicht funktioniert?«
     Sie wirkte verstrubbelt. »Was machst du denn da?«, fragte ich grinsend.
    |263| »Ich zische einfach auf

Weitere Kostenlose Bücher