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Im Kühlfach nebenan

Titel: Im Kühlfach nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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Mitmenschen hervorruft.«
    »Es ist eine Frage der Sicherheit«, sagte Baumeister.
    |255| »Ja«, bestätigte die Oberin, »das kann man so sehen. Aber wissen Sie, unser Orden steht seit vielen Jahrhunderten für die
     Ärmsten der Armen ein, und wir sind in dieser langen Zeit häufig angefeindet worden.«
    Baumeister holte Luft, aber die Oberin gebot ihm mit einer schlichten Geste zu schweigen. »Dem Hass und der Ablehnung das
     Feld zu überlassen, ist das falsche Signal. Wir haben immer auf Gott vertraut, und das werden wir weiterhin tun.« »Aber zwei
     Tote   …«, murmelte Baumeister erschüttert. »Es ist sehr traurig, dass Marlene und Martha aus unserer Mitte gerissen wurden, aber
     sie leben nun bei Gott. Und wir, die wir zurückgeblieben sind und weiter unserem Ordenszweck dienen, haben aus den Anschlägen
     gelernt. Unser Gottvertrauen bedeutet nicht, dass wir Ihm allein die Verantwortung für unsere Sicherheit auferlegen wollen.«
    Baumeister blickte sie verständnislos an. »Wir werden ab sofort alle Zugänge mit vernünftigen Türen und einem Alarmsystem
     sichern. Wir werden den Sicherheitsdienst, der in der Nachbarschaft Patrouille fährt, ebenfalls beauftragen. Und wir werden
     eine Rufanlage an der Pforte anbringen, damit niemand die Tür öffnen muss, bevor er nicht weiß, wer Einlass begehrt.«
    Baumeister starrte die Oberin so entgeistert an, als hätte sie gerade verkündet, dass sie und ihre Schwestern einen neuen
     Kreuzzug nach Jerusalem planen. »Aber   …«, stammelte er. Pause. »Aber das ist sicher ziemlich teuer.« »Dafür werden wir das Dach ohne Türmchen und Gauben decken
     und an einigen weiteren Stellen auf zwar hübsche, aber nicht notwendige Details verzichten.«
    Baumeister sank in sich zusammen. »Ich wollte es Ihnen selbst sagen, bevor ich es nächste Woche der Presse verkünde.«
    |256| »Der Presse?«, fragte er verstört. »Wir haben entschieden, dass wir unsere Entschlossenheit öffentlich bezeugen wollen, um
     allen weiteren Spekulationen den Boden zu entziehen und um deutlich zu machen, dass wir unseren Einsatz für die Ärmsten der
     Gesellschaft ernst meinen. Aus Pietät warten wir damit bis nach der Beerdigung von Martha, die auf Wunsch ihrer Familie am
     Montagmorgen in ihrem Heimatort stattfindet.«
     
    Baumeister verließ das Büro der Oberin mit schleppenden Schritten, während Marlene und ich ihn rechts und links flankierten.
     Bereits auf der Treppe gewannen seine Schritte an Entschlossenheit, und als er im Kreuzgang ankam, straffte er die Schultern.
     »Na warte«, murmelte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Auf einer Baustelle zu leben, ist gefährlich.«
    Marlene und ich zuckten zusammen. »Er plant weitere Anschläge«, zischte Marlene mir zu. »Das wird ihm schon noch vergehen«,
     zischte ich zurück. »Ab sofort tritt Operation ›Höhere Gerechtigkeit‹ in Kraft.«
    Wir folgten Baumeister zu seinem Geländewagen. Er fingerte seinen Schlüssel aus der Tasche und drückte auf den Knopf der Fernöffnung.
     Die Zentralverriegelung sprang auf. Einen Augenblick, bevor er die Hand am Türgriff hatte, schloss sich die Verriegelung selbsttätig.
     Genau genommen natürlich nicht ganz selbsttätig, aber das konnte Baumeister ja nicht wissen. Er stutzte. Drückte wieder auf
     den Schlüsselknopf. Tür auf, Hand an den Türgriff, Tür zu. Beim dritten Versuch ließen wir ihn einsteigen. Er knallte sein
     Handy in die Ablage, schaltete das kabellose Funk-Headset ein, klemmte sich das Ding ans linke Ohr, rammte den Zündschlüssel
     ins Schloss und atmete auf, als die Karre losschnurrte.
    |257| Das Radio war mit der Zündung gekoppelt und dudelte sofort los. Prima. Ich hatte nämlich einen Großteil der Nacht vor dem
     Internet verbracht. Martin hatte sein digitales Headset aus dem Büro geholt und mir die wichtigsten Steuerungsbefehle eingetrichtert.
     Dann hatte ich mich selbst zum Student der Elektrowissenschaften erklärt und nach einschlägigen Informationen gesucht. Dabei
     stellte ich fest, dass es einfacher ist, die Bauanleitung diverser Bomben aus dem Netz zu fischen als ein vernünftiges Lehrbuch
     für Azubis der Elektrotechnik. Zu guter Letzt wurde ich allerdings fündig, und wenn ich auch immer nur einen Bruchteil dessen
     verstand, was die Fachmänner von sich gaben, riffelte ich doch immerhin genug, um einige Ansatzpunkte für die Operation »Höhere
     Gerechtigkeit« zu finden. Mehr wollte ich gar nicht. Baumeisters Radio krähte also irgend so

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