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Im Kühlfach nebenan

Titel: Im Kühlfach nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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einen weich gespülten Popsong
     durch die Soundrohre, wobei, wie ich neuerdings wusste, der Radioempfänger oder Verstärker oder irgend so ein superschlaues
     Bauteil dafür das Spannungssignal
u
in das Schalldrucksignal
p
zurückverwandelte. Und Spannungssignale ließen sich durch elektromagnetische Wirbel leicht beeinflussen.
    Ich versuchte mein Glück. Als Einstieg hätte ich mir ein im Hintergrund gerauntes »Baumeister« gewünscht, das dann später
     von einem drohenden »Mörder« abgelöst würde, aber tatsächlich gelang es mir nur, ein Rauschen zu erzeugen. Keine Ahnung, ob
     das an der elektrischen Potenzialschwankung lag, ob der Triggerlevel nicht stimmte oder ob ich in einer Frequenz dachte, die
     für eine Wiedergabe nicht geeignet war. Vielleicht war das Autoradio auch schon auf Digitalfunk eingestellt und ich hatte
     ein Übersetzungsproblem mit den Nullen und den Einsen. All diesen ganzen theoretischen Kram hatte ich nicht geschnallt. Okay,
     ehrlich |258| gesagt hatte ich es nicht einmal versucht. Immerhin konnte ich die fröhliche Moderatorin, die inzwischen die Staumeldungen
     verlas, mundtot machen und ein astrein nervtötendes Rauschen erzeugen. Für den Anfang nicht schlecht.
     
    Das fand auch Marlene. Sie kicherte wie ein Schulmädchen nach zwei Gläsern Asti. »Was ist denn mit dir los?«, fragte ich misstrauisch.
     Ich brauchte eine ernsthafte Partnerin, keine durchgeknallte Schampusschlampe. »Ich bin auf dem Verbindungssignal vom Headset
     zum Handy in sein elektronisches Adressbuch gesurft und habe dort ein wenig, äh, umorganisiert«, sagte sie. Sie war erhitzt,
     errötet, ihre Nerven vibrierten. Mir wurde angst und bange. Nicht, dass mein liebes Lenchen hier ihre Unschuld als Geisternonne
     verlor. Handysurfen als Ersatzverkehr.
    »Keine Sorge«, wies sie mich immer noch kichernd zurecht. »Aus dem Alter bin ich raus.« Ich ließ das Radioprogramm normal
     laufen, aber jedes Mal, wenn Baumeister die Lautstärke hochstellte, weil er die Nachrichten, die Staumeldungen oder einen
     interessanten Beitrag hören wollte, ließ ich es rauschen, was das Zeug hielt. Nach einer halben Stunde hatten wir ihn weichgekocht,
     er schaltete das Teil ab.
    In der Aufregung über unsere Mission hatten wir gar nicht darauf geachtet, wohin Baumeister eigentlich fuhr, aber nachdem
     er das Radio ausgeschaltet hatte, blickte ich mich interessiert um. Er bog noch zweimal ab, dann stand er vor der Bank, in
     der Birgit arbeitet. Zufall? Himmlische Fügung? Oder einfach logisch bei der Bank, die die erste Wahl für mittelständische
     Unternehmen war – zu denen sowohl Bauunternehmer als auch Klöster zählten.
    |259| Baumeister bat um einen dringenden Termin bei seinem Berater, ließ sich nicht abwimmeln und zappelte unruhig auf seinem Stuhl
     herum, bis der Mann endlich Zeit für ihn hatte.
    »Es ist eine Verzögerung in meinem Projekt aufgetreten.«
    Die Miene des Beraters verschloss sich augenblicklich. »Noch eine Verzögerung? Herr Baumeister, Sie wissen, dass die vereinbarte
     Kreditlaufzeit bereits zweimal verlängert wurde   …«
    »Ja, aber   …«
    »Lassen Sie mich bitte aussprechen«, warf der Berater freundlich ein. »Zu Beginn des Jahres ging es um einen Übergangskredit
     von maximal zwei Monaten, für den wir Ihnen, da Sie ein langjähriger und guter Kunde sind, sehr günstige Konditionen angeboten
     haben.«
    Baumeister nickte. »Bereits bei der ersten Verlängerung musste ich all meinen Einfluss geltend machen, um diese Konditionen
     weiter zu halten, bei der zweiten Verlängerung musste ich diese Entscheidung gemeinsam mit meinem Vorgesetzten dem Bereichsleiter
     persönlich darlegen.«
    »Das weiß ich wirklich zu schätzen   …« »Ich fürchte, dass ich eine dritte Verlängerung nicht zu diesem außerordentlich günstigen Zinssatz   …« »Aber Sie wollen sicher nicht, dass das Projekt den Bach hinuntergeht und mit ihm hundertfünfzig oder zweihundert Arbeitsplätze?
     Das wäre keine gute Werbung für Ihre Bank, wenn ein so wichtiges Strukturprojekt an ein paar lächerlichen Wochen Zahlungsziel
     scheiterte.«
    Der Berater biss sich auf die Lippe. Offensichtlich gefiel ihm diese versteckte Drohung überhaupt nicht. »Ein paar Wochen,
     sagten Sie?«, presste er hervor. Baumeister nickte.
    |260| »Ich werde sehen, was ich tun kann«, versprach der Berater und begleitete Baumeister hinaus zu seinem Wagen.
     
    Marlene sollte bei Baumeister bleiben, ich raste zu Martin. Ich traf

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