Im Kühlfach nebenan
dem Laserstrahl hin und her.« Sie klang atemlos. »Kitzelt das?«, wollte ich wissen. »Versuch es selbst«,
keuchte sie und überließ mir das Feld.
Es kitzelte nicht, aber es machte einen ganz schön schlapp. Ich bewunderte Marlene, die das Lasersurfen offenbar schon eine
ganze Weile betrieb. Baumeister hatte nun endgültig die Nase voll. Er warf dem Assistenten das Gerät zu, das dieser nur dank
seiner wirklich fixen Reaktion auffangen konnte, und stampfte wutentbrannt davon. Im Gehen nestelte er sein Handy aus der
Tasche.
»Oh, er will telefonieren«, rief Marlene. »Jetzt bin ich aber mal gespannt.« Baumeister wählte einen Namen aus dem Adressbuch,
drückte die Ruftaste und hielt sich das Handy ans Ohr. Wir nisteten uns zwischen dem Lautsprecher und seiner nicht ganz sauberen
Ohrmuschel ein.
Eine freundliche Stimme erklang: »Katholische Beicht-Hotline, guten Tag. Beichten Sie, was Ihr Gewissen belastet. Unser nächster
freier Priester ist gleich für Sie da.« Es folgte Orgelmusik.
Baumeister starrte mit schreckgeweiteten Augen und offenem Mund sein Handy an. »Gott, der unser Herz erleuchtet, schenke dir
wahre Erkenntnis deiner Sünden und seiner Barmherzigkeit.« Baumeister musste in seiner Panik drei Versuche machen, bis er
das Gespräch endlich unterbrochen hatte. Er lehnte sich gegen die Klostermauer und versuchte, seine Atmung und seinen Herzschlag
wieder auf Normalmaß zu senken.
»Gibt es diese Hotline wirklich?«, fragte ich verblüfft. »Das ist ein Versuchsprojekt eines theologischen Studienseminars, |264| von dem ich letztens gehört habe«, erklärte Marlene.
»Und dann hast du dir damals auch gleich die Telefonnummer gemerkt für den Fall, dass du bald ermordet wirst und deinen Mörder
durch Geisterterror selbst zur Strecke bringen musst«, vermutete ich.
»Ich habe mir die Nummer gemerkt, weil sie ganz einfach ist. Die Vorwahl null achthundert ist klar. Und die Rufnummer setzt
sich zusammen aus der Ziffer 3 für das dritte Evangelium, also Lukas. Dann kommt die 15 für das Kapitel und die Verse 10 für
den reuigen Sünder und 11 bis 32 für das Gleichnis vom verlorenen Sohn.«
Alle Achtung. Ich hatte mir zu Lebzeiten kaum meine eigene Telefonnummer merken können. Baumeister hatte sich inzwischen einigermaßen
beruhigt, nahm sein Handy vorsichtig auf, drückte mit Überlegung und Nachdruck einige Knöpfe und hielt sich das Gerät dann
in ungefähr dreißig Zentimeter Abstand ans Ohr.
»Katholische Beicht-Hotline…« Er zerquetschte fast den roten Knopf. Dann wählte er einen anderen Namen aus seinem Adressbuch.
»Katholische Beicht-Hotline, guten …« Er wählte jeden einzelnen Eintrag von oben nach unten, beginnend mit Abel, Jochen, Baudezernent bis zu Zilgreis, Marianne,
privat. Er landete immer bei der Katholischen Beicht-Hotline.
Marlene war zutiefst zufrieden. »Wie hast du das gemacht?«, fragte ich verblüfft. »Kinderspiel«, entgegnete sie. »Ich musste
die Handyprogrammierung lernen, weil die Handys, die die Frauen besaßen, natürlich alle von ihren Zuhältern auf GP S-Tracking programmiert waren. Außerdem gab es Sperren für bestimmte Nummern und solche Tricks. Die Mädels wa-
|265| ren oft mit diesem Kram überfordert, also musste ich mich damit beschäftigen. Ich kenne mich mit praktisch jedem Modell aus,
habe eine ganze Sammlung an Bedienungsanleitungen. Wenn man über eine aktive Schnittstelle ins System kommt und weiß, wie
die Datensätze organisiert sind, ist es ganz leicht.«
Lenchen, du überraschst mich immer wieder, dachte ich. Sie strahlte. Wir waren ein verdammt cooles Team. Wir ärgerten Baumeister
den Rest des Tages weiter mit unseren netten Spielchen, mehr Aktionsmöglichkeiten ergaben sich nicht. Leider kam auch Baumeister
irgendwann auf die Idee, nicht mehr sein Adressbuch zu nutzen, sondern die Telefonnummern von Hand einzugeben. Allerdings
kannte er die wenigsten auswendig und ein Telefonbüchlein trug er nicht mit sich herum. Er wurde guter Kunde bei der Auskunft.
Zwischendurch überließ ich Marlene das Feld allein, um mich in Baumeisters schickem Zuhause schon etwas umzusehen. Ich wollte
für den Feierabend vorbereitet sein.
Fast eine Stunde untersuchte ich die Bude nach Gelegenheiten zur Sabotage. Und ich wurde fündig. War der Mann beruflich ganz
auf mittelalterliche Gebäude spezialisiert, hatte er sich privat bereits in die Zukunft gebeamt. Ich schaute mich ausführlich
um und fragte
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