Im Labyrinth der Abwehr
erregt, „zum Teufel mit denen da!" Er machte eine Handbewegung. „Fahren wir zu mir nach Auschwitz. Ich mache Sie mit ein paar wunderbaren Burschen bekannt. Der eine ist Lehrer, der andere so wie ich Chemiker, echte Deutsche, keine von den Braunen."
„Es gibt auch noch andere Farben”, sagte Weiß ausweichend.
„Nein, nein, es sind keine Roten. Meinen Sie, ich denke rot? Keineswegs. Es ist nur einfach so, daß meine Freunde, genau wie ich, sich dessen schämen, was jetzt geschieht."
Weiß sagte:
„Aber dort, wo die Rüstungswerke liegen, hat der Himmel Löcher." Budhoft grinste verschmitzt:
„Sie vergessen, daß IG-Farben nicht nur vom Deutschen Reich vertreten wird. Die amerikanischen Flugzeuge werden ihre eigenen Werke schon nicht bombardieren."
„Und die Engländer?"
„In unseren Werken arbeiten zweitausend englische Kriegsgefangene. Die Gestapo hat zwei Engländern zur Flucht verholfen. Sie sollen Churchill warnen: Schließlich wird er ja nicht seine eigenen Leute bombardieren."
„Klug ausgedacht."
„Ja, bei IG-Farben sitzen kluge Köpfe. Wenn Deutschland den Krieg gewinnt, werden die amerikanischen Aktionäre ihren Anteil erhalten. Und verliert es ihn, so wird der IG-Farben-Konzern von seinen überseeischen Geschäftspartnern nicht benachteiligt werden. Für sie ist jeder Krieg ohne Verlust."
„Und für Sie?"
„Für mich?" wiederholte Budhoft mechanisch und sagte dann schnell: „Ach, wissen Sie, gehen wir zurück, ich bin etwas durchfroren."
Ermüdet von seiner Reise nach Berlin, lag Landsdorf auf dem Diwan, ein Buch in der Hand. Ohne von den Seiten aufzublicken, hörte er sich Johanns Bericht an. Er sagte lobend:
„Ein guter Einfall, Ihre Bekanntschaft mit der Baronin dazu zu nutzen, um auf unsere russische Agentin einen guten Eindruck zu machen. Wie finden Sie sie?"
Weiß antwortete ausweichend, daß sie sich besser fühle.
„Ich frage' ob Sie glauben, daß sie, nachdem sie eingewilligt hat, für uns zu arbeiten, sich wirklich von dem Wunsch leiten läßt, für ihren denunzierten Vater Rache zu nehmen?"
Johann sah Landsdorfs Augen. Er begriff, wie gefährlich jetzt für ihn die geringste Verstellung sein würde. Und er sagte entschlossen: „Nein, das glaube ich nicht."
Landsdorf ließ das Buch sinken. Er lächelte. „Ich glaube es ebenfalls nicht, und zwar deshalb, weil ich in letzter Zeit während der Verhöre eine sehr interessante Sache festgestellt habe.
Während der Verhöre versuchten die Mitarbeiter der Spionageabwehr zu erreichen, daß die Russen einige Härteseiten ihres Lebens bestätigten oder ergänzten. Die Russen aber verneinten diese Fakten, obwohl sie uns aus der sowjetischen Presse bekannt sind. Und wissen Sie, warum? Weil sie der Ansicht sind, daß man über die Härten seines Lebens nicht zu seinen Gegnern spricht. Das beleidigt ihre Würde als Sowjetmenschen. Sie sind überzeugt, daß alle diese negativen Seiten ihres Lebens nur vorübergehende Erscheinungen sind. Unsere Agentin belügt uns genauso wie die anderen. Selbst wenn man ihren Vater denunziert hat, ist sie sicher, daß es sich um ein Versehen handelt."
„Aber schließlich muß doch irgend jemand persönlich daran schuld sein, und vielleicht läßt sie sich doch vom Gefühl der Rache leiten." „Die Kommunisten sind gegen Terroraktionen."
„Sie wird nicht aus politischen, sondern aus privaten Gründen ..." „Sie reden Unsinn", unterbrach ihn Landsdorf.
„Nein, keinen Unsinn", widersprach Weiß. „Sie ist kindlich und unberechenbar. Sie hat mein Geld zum Fenster rausgeworfen und hätte sich beinahe mit irgendeinem Kerl davongemacht. Gleichzeitig hat sie sich bei der Baronin sehr würdevoll benommen."
„Das ist interessant. Psychische Unausgeglichenheit plus überdrehte Phantasie." Er fragte unvermittelt: „Ist Ihnen die Wirkung von Skopolamin auf den menschlichen Organismus bekannt, in Verbindung mit einem Schlafmittel?"
„Wenn ich mich nicht irre, wurde dieses Präparat das erstemal erfolgreich bei van der Lubbe angewandt."
„Kann sein. Das ist mir nicht bekannt."
„Jawohl!"
„Das heißt, Sie haben mich verstanden?"
„Unbedingt."
43
Unter den neuen, kürzlich angekommenen Lehrgangsteilnehmern befanden sich Leute, die von den Untergrundorganisationen der Lager empfohlen worden waren. Weiß hatte jetzt nicht mehr direkt mit ihnen zu tun. Dafür hatte er einen Verbindungsmann mit dem Decknamen „Messer", ehemaliger Soldat der Marineinfanterie, der seinerseits einen
Weitere Kostenlose Bücher