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Im Labyrinth der Abwehr

Im Labyrinth der Abwehr

Titel: Im Labyrinth der Abwehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wadim Koshewnikow
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verlogener Worte seine Unzufriedenheit über dessen Tätigkeit.
    Unter den Gästen befand sich auch ein bekannter Münchener Chirurg, Professor Wirtschaft, dem man in einem der Auschwitzer Lager einen Sonderblock zur Durchführung medizinischer Versuche zur Verfügung gestellt hatte. Für seine Verdienste hatte man ihn mit dem Rang eines Sturmbannführers belohnt, doch da der Professor ausgesprochener Zivilist war, trug er nie die SS-Uniform.
    Er hatte ein schweres, fleischiges Gesicht und gutmütige, hellbraune Augen. Er sagte:
    „Wenn es früher üblich war, zu denken, daß Kriege der Menschheit eine Weiterentwicklung der Chirurgie verhießen, so eröffnen sich jetzt der Medizin Möglichkeiten, den menschlichen Organismus zu erforschen, von denen selbst die kühnsten Geister nicht träumten."
    Als die Baronin den Gästen Johann Weiß vorstellte, drückten ihm die Herren fest und vielsagend die Hand, und die jugendliche Gattin Schicks lächelte ihm so zärtlich und vielversprechend zu, daß er für einen Augenblick in Verwirrung geriet und auf ihre Frage, wann er den Entschluß gefaßt habe, sein Leben der militärischen Spionage zu widmen, keine Antwort wußte.
    Er zögerte einen Augenblick, dann sagte er bescheiden, daß man bei den besten deutschen Spionen diese Neigung gewöhnlich bereits im Kindesalter entdeckt habe.
    Mit Herrn Kranz unterhielt er sich über Rennpferde, mit Herrn Schick tauschte er Ansichten über die Bedeutung der Chemie aus; Professor Wirtschafts Interesse erweckte er dadurch, daß er über die alten Ägypter sprach, die bereits vor Jahrtausenden Schädelbohrungen vorgenommen hätten.
    Weiß hatte schon vor langer Zeit eine für ihn interessante Gesetzmäßigkeit entdeckt. Ganz gleich, welcher Behörde oder Firma diese Deutschen angehören mochten, sie enthielten sich strikt jeder Unterhaltung, die ihre eigentliche Tätigkeit und die führenden Persönlichkeiten des jeweiligen Kreises betraf, erörterten aber alles, was außerhalb dieses Gebietes lag, gern und mit großer Sachkenntnis.
    So erfuhr er beispielsweise von einem Mitarbeiter der Gestapo über die Leiter der Abwehr mehr als von den Leuten der Abwehr selbst. Und seine Kollegen sprachen über die Arbeit der Gestapo, wie es ein Mitarbeiter der Gestapo selbst nie und nirgendwo getan hätte.
    So erfuhr er bei der Baronin vom Bau neuer Werke von der Lagerleitung, vom Bau neuer Lager aber von den Vertretern der verschiedenen Firmen, die die Lager als Quelle für Arbeitskräfte betrachteten.
    Jeder einzelne Gast der Baronin war für Weiß ein Gegenstand wissenschaftlichen Interesses. Selbst die flüchtigste Bekanntschaft mit ihnen genügte, um zu begreifen, in welchem Maße sie die Gesellschaft verkörperten, die den Faschismus hervorgebracht hatte.
    Auf ehrliche, menschliche Art interessierte Weiß nur ein Gast der Baronin, der Chemieingenieur Karl Budhoft, der in einem der IG-Farben unterstellten Werk für synthetischen Kautschuk arbeitete.
    Budhoft war Spezialist für synthetischen Kautschuk, für den in Deutschland ein großer Bedarf herrschte. Er gehörte zu den Leuten, die in Deutschland dringend gebraucht wurden, und benahm sich deshalb völlig ungeniert.
    Weißhaarig, mit jugendlichem Gesicht, nervös und gereizt, neigte er zu unvorsichtigen, giftigen Äußerungen:
    Auf die Frage, wo er lebe, antwortete er:
    „In dem räudigen Provinznest Auschwitz, das bald als Zentrum des Menschenhandels berühmt sein wird."
    „Sagen Sie uns lieber", der Professor ging über die Anspielung Budhofts hinweg, „was Sie der Wissenschaft Neues zu schenken beabsichtigen?"
    „Eine Arbeit darüber, wie zu enge Uniformkragen die Sicht des Soldaten behindern."
    „Aber das ist ja eher ein medizinisches Problem. Sie sind ein Spaßvogel, Karl. Mit Ihrem Kopf und Ihren Kenntnissen hätten Sie dem Reich schon längst etwas Großes geben können."
    „Professor, ich stehe zu Diensten. Vielleicht darf es eine Säure für die Leichen der von Ihnen getöteten Säuglinge sein? Welch eine Brennstoffersparnis! Sie schicken sie, scheint es, ins Krematorium, nicht wahr?"
    „Sie sollten nicht soviel trinken! Im übrigen gibt es unter meinen Patienten keine Säuglinge. Sie übertreiben alles."
    „Untertreiben, wollten Sie sagen."
    „Hören Sie auf, Karl. Jeder von uns tut nur seine Arbeit."
    „Ja, aber auf verschiedene Art."
    Um den aufflammenden Zorn Budhofts abzulenken, schlug Weiß einen Spaziergang im Park vor. Budhoft, der durch seine Heftigkeit in

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