Im Labyrinth der Abwehr
Bemühungen Brigittes hatte Subow eine neue Dienststellung erhalten: Er leitete eine Einheit bei der „Organisation Todt". Sie bestand aus Deutschen, die auf Baustellen der Wehrmacht ihren Arbeitsdienst ableisteten. Völlig unerwartet entdeckte Subow die Fähigkeit zu einem feinfühligen und weitsichtigen Geschäftsmann. So lieferte er zum Beispiel den ortsansässigen SS- und Gestapofunktionären Zement und Stahlwalzgut in bester Qualität für ihre Bombenbunker. Diese fehlenden, von der Front dringend benötigten Baustoffe gab er als Verlust infolge von Eisenbahnunglücken an oder ersetzte sie durch Sorten, die für Verteidigungsbauten nicht geeignet waren.
Als Weiß ihm seine Anerkennung dafür aussprach, daß er nun auf höherer Ebene arbeite, gestand Subow mit einem Seufzer:
„Ich habe mich nur im Betrügen qualifiziert, das ist alles. Ich dachte, bei den Deutschen ginge alles ordentlich zu, mit genauester Abrechnung. Und wie sieht es in Wirklichkeit aus? Sie stehlen alles, was nicht niet- und nagelfest ist."
„Und laß dir bloß nicht einfallen, Geschenke abzulehnen!" „Ich soll Schmiergelder nehmen?"
„Genau. Und zwar entsprechend deiner Stellung, damit man vor dir auch den Hut zieht."
Subow öffnete seine Hand, die er solange zur Faust geballt hatte, und zeigte ihm zwei mit Brillanten besetzte Ringe:
„Du siehst, wie weit ich es schon gebracht habe!"
Weiß schaute sich die Ringe an und warnte ihn:
„Paß auf, daß sie dir keine falschen andrehen. Dummköpfe sind hier nicht sehr beliebt. Am besten tauch sie in ein Säurebad: Wenn die Steine nicht trüb werden, sind es echte. Ein Mensch, der den Wert von Edelsteinen kennt, verdient in dieser Gesellschaft weit mehr Hochachtung als einer, der ein unnützes Buch gelesen hat."
„Zum Teufel, was soll ich mit diesen Brillanten?"
„Mach keine Dummheiten!" befahl Johann. „Solchen Ring können wir bei Gelegenheit im Lager gegen einen Häftling, vielleicht sogar gegen mehr als einen tauschen."
45
Es kam die Zeit, wo Alexander Below völlig und endgültig den Abwehroffizier Johann Weiß verkörperte. Er hatte es verstanden, das Vertrauen seiner Vorgesetzten zu erwerben, vor allem durch seine Initiative, seine Ideen und seinen Gehorsam.
Freilich, die Sympathie Landsdorfs zu erringen, war schwieriger. Hier mußte Johann zu komplizierteren Methoden greifen.
Früher hatte Johann widerspruchslos allen Gedanken Landsdorfs zugestimmt. Jetzt erlaubte er sich, obwohl es nicht immer ungefährlich war, Gedanken zu äußern, die von der Meinung Landsdorfs abwichen.
So begann Weiß Landsdorf vorsichtig und hartnäckig einzureden, daß die Mißerfolge der Abwehr an der Ostfront sich keineswegs nur dadurch erklärten, daß die Auswahl der Agenten angeblich nicht genügend sorgfältig sei.
In den besetzten Gebieten sei die sowjetische Bevölkerung so begeistert von den jüngsten Erfolgen der Roten Armee und gleichzeitig so empört über das Wüten der SS-Einheiten, daß alle Russen gleichsam zu freiwilligen Mitarbeitern der sowjetischen Spionageabwehr geworden seien. Und unter diesen Bedingungen müßten die besten deutschen Agenten scheitern.
Als Beispiel führte Weiß die Geschichte des Agenten Bayen an.
Diesen erfahrenen Provokateur, der bereits in den dreißiger Jahren in eine der kommunistischen Organisationen Kölns eingeschleust worden war, hatte man lange und sorgfältig auf das sowjetische Hinterland vorbereitet. Man hatte ihn auf Sonderration gesetzt, damit er so mager wurde, daß er einem Häftling glich. Danach brachte man ihm unter örtlicher Betäubung Schläge bei, um die Spuren einer Züchtigung zu hinterlassen. Seinetwegen organisierte man eine Gruppenflucht aus einem KZ. Zusammen mit diesen Häftlingen erreichte er wohlbehalten die Stellungen der sowjetischen Truppen. Doch als Bayen, der angeblich im Auftrag einer deutschen Untergrundorganisation handelte, vorschlug, die Sowjets sollten falsche Lebensmittelkarten drucken und sie mit Flugzeugen über Deutschland abwerfen, um eine Versorgungsstörung unter der Bevölkerung hervorzurufen, erregte das Verdacht. Und im weiteren hatte ja dann die sowjetische Spionageabwehr festgestellt, daß Bayen ein deutscher Agent war.
Johann hatte selbstverständlich auch das Zentrum über Bayen informiert. Auch darüber, daß Bayen der sowjetischen Kommandoleitung eine Karte übergeben würde, auf der ein geheimes Forschungszentrum eingezeichnet war, das an der Entwicklung einer neuen tödlichen
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