Im Labyrinth der Abwehr
darüber zum Zwecke der Weitervermittlung zu reden. Aber Ihnen persönlich kann ich sagen, daß es bei der jetzigen Entwicklung der Dinge eine Frage von zwei, höchstens drei Tagen ist. Hitler reibt sich in diesem dramatischen Kampf auf. Es kann Ihnen als Trost dienen, daß er im Kampf mit den Bolschewiken fällt ..."
„Und können Sie genau den Tag nennen, an dem der Führer in diesem Kampf fällt?" unterbrach ihn der Graf.
„Ich lasse mich von den Erwägungen der Ärzte leiten."
„Ach, die Ärzte!"
Schellenberg mußte sich einmischen, um dem Gespräch eine bestimmtere Richtung zu geben; denn das Hauptziel der heutigen Zusammenkunft war das Arrangieren eines Treffens zwischen Himmler und Eisenhower.
Im Endergebnis willigte der Graf ein, daß Himmler einen Brief an Hunter schrieb, in dem er ihn um Unterstützung in dieser Sache bat.
Nachdem Himmler das Zimmer verlassen hatte, hakte sich der Graf bei Schellenberg, für den er eine besondere Neigung empfand, unter.
„Der Reichsführer ist sich nicht über den wahren Stand der Dinge klar. Im jetzigen Moment kann ich ihm nicht helfen. Ich hätte das nach meinem ersten Besuch tun können, wenn er damals die Führung der Reichsgeschäfte völlig übernommen hätte. Jetzt hat er meiner Meinung nach keine Aussichten. Ja, Sie, mein lieber Schellenberg, Sie hätten klüger gehandelt!”
65
Weiß suchte den Massagesalon auf.
Der Professor hörte sich Johanns Bericht an, von Zeit zu Zeit machte er sich auf einem winzigen Block Notizen.
„Ist das alles?" fragte er.
„Nur das Wesentlichste."
„Die Faschisten sind sich in ihrer Absicht einig, die. Häftlinge als Beweis ihrer Schuld zu vernichten. Das ist die übliche Methode eines jeden Verbrechers. Durch Hunderte oder sogar Tausende Freigelassener jetzt den Mord an Millionen zu sühnen, das ist komplette Gaunerei. Aber ausnützen müssen wir sie, um mehr Häftlinge, als in den Listen aufgeführt sind, zu befreien. Das ist auch der Befehl des Zentrums. Ich kann Ihnen mitteilen", hierbei lächelte er kaum merklich, „daß Ihre Angaben über die Geheimlager der faschistischen Terrororganisationen vom Zentrum überprüft worden sind. Entsprechend diesen Angaben werden Operativgruppen unserer Spionageabwehr in die betreffenden Gebiete geschleust."
Es klopfte an der Tür.
„Herein!" rief der Professor.
Ins Zimmer kam ein junges, hübsches Mädchen in der Uniform einer Luftschutzhelferin.
„Das ist meine Nadjuscha", sagte Stutthoff auf russisch, und auf Weiß deutend: „Macht euch bekannt!"
„Ach, Sie sind das!" rief das Mädchen und reichte Weiß rotwerdend die Hand. „Da komme ich rein und sehe einen Fritz dasitzen. Also, so einer sind Sie!"
Weiß wurde verlegen und schaute weg.
Das Mädchen setzte sich so, daß sie gleichzeitig ihren Vater und Johann im Auge hatte. Sie sagte, während sie mit lachenden Augen auf Weiß schaute:
„Das Unternehmen mit dem Decknamen ‚Wolke` sieht die Bombardierung deutscher Gebiete durch Einheiten der deutschen Luftwaffe vor. Die Maschinen werden als Flugzeuge der Alliierten getarnt. Der Stützpunkt dieser Einheit ist auf der Karte eingezeichnet. Die Angriffsziele sind vorerst noch unbekannt. Es besteht die Vermutung, daß es KZ-Lager sind, da der Operationsplan von Himmler und Kaltenbrunner bestätigt ist."
„Ihre Aufgabe", sagte der Professor zu Weiß, „besteht darin, herauszufinden, welche Lager für die Angriffe vorgesehen sind. Übrigens habe ich nichts dagegen, Sie einer Kampfgruppe einzugliedern, die das an Ort und Stelle verhindern muß." Er stand auf. „Das ist alles."
Weiß schaute auf das Mädchen und lächelte unschlüssig.
„Alles!" wiederholte der Professor.
Das Mädchen fragte:
„Kann ich den Genossen nicht begleiten?"
„Das fehlte noch! Nein, er weiß selbst den Weg."
„Aber Papa!" rief sie bettelnd.
„Ich habe nein gesagt. Das hat keinen Zweck."
„Was hat keinen Zweck? Und wenn wir uns plötzlich auf der Straße begegnen?"
„Nun, gehen Sie schon", sagte der Professor und schob Weiß zur Tür. Er schaute sich zu seiner Tochter um: „Du bist doch in der Operativgruppe, auf dem Stützpunkt trefft ihr euch ja ..."
Nach dem Besuch im Massagesalon ging Johann zu Heinrich. Er traf ihn in verzweifelter Stimmung. Heinrich schleuderte ihm einige Blätter hin:
„Da, lies! Aus der persönlichen Kanzlei meines Onkels.“
Johann setzte sich und las:
„Liste getragener Textilien, die auf Anordnung der obersten Wirtschaftsleitung der SS
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