Im Labyrinth der Abwehr
Eindruck zu machen, setzte er sich neben ihn und klagte darüber, daß die deutsche Wirtschaft bei der Lösung der Judenfrage einige Fehler gemacht und sich so guter Arbeitskräfte beraubt habe.
„Aber Prinzipien sind Prinzipien! Wir mußten Opfer bringen, um den nationalen Geist zu festigen." Er stand auf, berief sich auf seine Arbeit und entschuldigte sich, die Unterhaltung nicht fortsetzen zu können.
Himmler wurde von Bernadotte erwartet. Diese Begegnung war für ihn wichtig, da Bernadotte den interessierten Kreisen der USA und Englands die Kandidatur Himmlers für das Amt des neuen Führers bestätigen sollte.
Himmler beabsichtigte, durch die Vermittlung Bernadottes eine Zusammenkunft mit Eisenhower zu erreichen.
Bereits vor seinem Besuch bei Himmler war es Bernadotte gelungen, die Freilassung für eine Reihe Personen skandinavischer Herkunft zu erreichen. Nachts wurden sie in Wagen des Schwedischen Roten Kreuzes aus den Lagern gefahren, bewacht von den Leuten Schellenbergs. Der Graf sollte Eisenhower darüber Mitteilung machen, wenn er ihm die Bedingungen unterbreitete, auf Grund derer Himmler bereit war, einen Separatfrieden mit den USA abzuschließen.
Der Graf war in diesen Tagen auch von Ribbentrop und Kaltenbrunner gebeten worden, zwischen ihnen und Eisenhower zu vermitteln. Um so enttäuschter war er, als Kaltenbrunner plötzlich die weiteren Lieferungen schwedischer Gefangener in ihre Heimat unterband.
Der Graf wußte, daß Kaltenbrunner dies tat, um Himmler zu schaden; er wollte ihn daran hindern, vor den Westmächten eine humane Rolle zu spielen. Er begriff ferner, daß Kaltenbrunner selbst nicht abgeneigt war, eine solche Rolle zu spielen.
Im übrigen hatte der Graf davon Kenntnis erlangt, daß sowjetische Kreise von den Verhandlungen wußten, die die Faschisten durch einen schwedischen Mittelsmann mit den Alliierten führten. Sein Name war schicklicherweise unerwähnt geblieben, doch der Graf begriff ohnehin, daß die Sowjetunion über seine Tätigkeit bis in alle Einzelheiten informiert war.
Da er die unbeugsame Haltung der Sowjetunion kannte und wußte, welche Rolle sie bei der Lösung der deutschen Frage spielen würde, war er sich klar darüber, daß jeder Versuch, Himmler jetzt für das Amt eines neuen deutschen Regierungschefs vorzuschlagen, aussichtslos war und ihm in Zukunft nur schaden konnte.
Jetzt, zu Ende des Krieges, vereinte der Haß auf den Faschismus die Völker der Welt, und es würde schwerfallen, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, daß die Rolle des Vermittlers zwischen den deutschen Faschisten und den Westmächten sich nur auf die Sphäre der hohen Diplomatie bezog. Bernadotte war sich im Inneren bewußt, daß seine Tätigkeit wie der Versuch wirken mußte, einem Mörder zu helfen, die Beweise zu verstecken.
All das rief bei dem Grafen ein Gefühl des Ärgers hervor. Er war absolut schlecht gelaunt, als Himmler und Schellenberg bei ihm erschienen.
Schellenberg merkte vom ersten Augenblick an, daß sich das Verhalten des Grafen geändert hatte. Doch Himmler ging sofort zur Sache über. Feierlich, als ob er dem Grafen das größte politische Geheimnis mitteilte, sagte er mit kaum hörbarer Stimme: „Wir Deutschen müssen uns vor den Westmächten als besiegt erklären."
Er machte eine Pause und wartete, welchen Eindruck dieses frappierende Geständnis auf den Grafen machte. Bernadotte saß vornübergebeugt und betrachtete seine Nägel so aufmerksam, als sähe er sie zum erstenmal.
Himmler sagte, ein wenig in Verwirrung geraten:
„Ich bitte Sie, dies auf dem Weg über die schwedische Regierung General Eisenhower mitzuteilen, um weitere Kämpfe und sinnloses Blutvergießen zu vermeiden."
Der Graf hob den Kopf und fragte teilnahmslos:
„Es scheint, daß die Verluste der deutschen Armee an der Ostfront an einzelnen Tagen jetzt mehr als hunderttausend betragen?" Himmler murmelte:
„Vor den Russen ist es uns Deutschen, und vor allem mir, unmöglich zu kapitulieren."
„Das ist verständlich."
„Dort werden wir weiterkämpfen, bis die Front der Westmächte die kämpfenden Deutschen ablöst."
„Ja, natürlich. Aber nach mir vorliegenden Informationen verfügen die Amerikaner und Engländer nicht über solche Divisionen wie die SS. Im übrigen brauchen sie Zeit, um ihre Soldaten zu überzeugen, daß die Russen dann nicht mehr ihre Verbündeten sind." Er fragte unvermittelt: „Wie ist die Gesundheit des Führers?"
„Ich habe nicht das Recht, mit Ihnen
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