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Im Labyrinth der Abwehr

Im Labyrinth der Abwehr

Titel: Im Labyrinth der Abwehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wadim Koshewnikow
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nicht", sagte jemand heftig mit heiserer Stimme. Bartsch fragte laut: „Und wenn jemand bittet?"
    „Aber ich sage doch, die bitten nicht!" wiederholte hartnäckig der Heisere. „Sie bitten nicht, und damit basta." Gehässig fügte er hinzu: „Du Esel wirst mich nicht ertappen, solche wie dich kenne ich."
    Als Weiß am nächsten Tag nach dem Verbinden zurück ins Zimmer kam, lag dort, wo vorher der Soldat mit der heiseren Stimme gelegen hatte, ein anderer Verwundeter.
    Weiß fragte Bartsch: „Und wo ist der?" Er zeigte auf das Bett. Bartsch zwinkerte vielsagend mit den Augen:
    „Der deutsche Soldat soll seine Feinde verachten. Oder wie denkst du darüber?"
    Weiß erwiderte überzeugt: „Ich hasse meine Feinde."
    „Richtig", stimmte Bartsch zu, „das hast du richtig gesagt."
    Bei dem sehr schmerzhaften Verbinden benahm sich Weiß tapfer. Er schwieg, biß die Zähne zusammen, vergoß danach Tränen vor Schmerz. Niemals beklagte er sich beim Arzt über Schwäche, Unwohlsein, bettelte um keine stärkende Zusatzverpflegung oder Arznei, wie es die anderen Verwundeten taten. Er unterschied sich allzusehr von den übrigen, und das konnte Verdacht erregen.
    Bartsch erzählte, daß er in der Tschechoslowakei die schlechtesten Medikamente gegen Uhren, Broschen, Eheringe getauscht habe. Sogar Mädchen hätte er dafür gekauft. Und er beneidete seinen Vorgesetzten Fischer, der vor dem Chefarzt zusätzlich die Medikamente kontrollierte, die ins Lazarett kamen: Sicher verkaufte Fischer einen nicht geringen Teil davon auf dem schwarzen Markt.
    Dann prahlte Bartsch mit seiner Freundschaft zu Fischer, sagte, daß keiner so gut wie Fischer wisse, wann und wo ein Angriff vorbereitet würde und welche Verluste die deutsche Wehrmacht dabei erlitt.
    „Woher weiß er das?" fragte Weiß.
    „Er stellt eine Liste von Medikamenten zusammen, die für jede militärische Operation notwendig sind, und dann schickt er eine Aufstellung über die verbrauchten Medikamente fort, deren Menge ja mit der Zahl der Verluste wächst."
    Die Genesung Johanns machte nicht allzu gute Fortschritte. Wegen einer Blutvergiftung hielt das .Fieber drei Wochen an, und Johann war gezwungen, alle seine Kräfte anzustrengen, um nicht jene Partikel seines Bewußtseins zu verlieren, die ihm halfen, auch im Fieber der Abwehrsoldat Weiß zu sein und nicht derjenige, der er tatsächlich war.
    Langsam kehrte er zum Leben zurück.
    Er verlor nicht mehr das Bewußtsein, allmählich sank die Temperatur, sogar der Appetit kehrte wieder.
    Von neu zugekommenen Verwundeten erfuhr Johann, daß die in Kulitschek eingeschlossene Garnison nach einem mächtigen Artilleriebeschuß völlig vernichtet worden war.
    Das bedeutete, daß er sich umsonst der tödlichen Gefahr ausgesetzt hatte. Er hatte falsch gehandelt.
    Woher sollte Johann wissen, daß es dem sowjetischen Panzersoldaten, als er verblutend zu den Seinen angekrochen kam, nicht gelungen war, seinem Vorgesetzten gegenüber sein Verhalten zu rechtfertigen.
    Waffenlos, ohne Koppel, stand er taumelnd vor dem Vorgesetzten und schwieg. Dieser verlangte, er sollte seinen Vaterlandsverrat eingestehen: Alles, was ihm der Panzersoldat erzählte, schien so unglaubwürdig. Es gab Fakten, die der Soldat nicht bestritt und nicht bestreiten konnte. Ja, er war einem Faschisten begegnet. Ja, und der Faschist hatte ihn nicht getötet und er den Faschisten nicht. Ja, er hatte dem Faschisten die Karte gegeben. Unwichtig welche, jedenfalls gegeben. Wo war das Geheimpaket? Das Paket war nicht mehr da. Schon allein das genügte.
    Der Panzersoldat war sich der Ausweglosigkeit seiner Lage vollauf bewußt. Standhaft ertrug er das Urteil, bat nur, nicht die Feuerstellungen und Minenfelder zu ändern. Dieser letzte Wunsch ging in Erfüllung, doch keineswegs deshalb, weil man ihm glaubte: Es blieb einfach nicht die Zeit, die Feuerstellungen zu ändern.
    Die Deutschen begannen mit dem Artilleriefeuer, und ihr Feuersystem offenbarte dem Vorgesetzten des Panzersoldaten bereits in den ersten Minuten folgendes: Die Deutschen beschossen jene Abschnitte, wo sich nicht eine sowjetische Batterie befand. Nach dem Artilleriebeschuß begann der Panzerangriff. Die deutschen Panzer fuhren genau in die Minenfelder.
    Der Vorgesetzte begriff, daß er einen unschuldigen Menschen zum Tode verurteilt hatte. Und der Deutsche, von dem dieser gesprochen hatte, war wahrscheinlich gar kein Deutscher, war vielleicht ein Tschekist wie er und hatte sich dem Panzersoldaten deshalb

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