Im Labyrinth der Abwehr
beugte sich noch einmal über sie.
„Ach, sind Sie das, von Tisch sechzig?"
„Ja", erwiderte Johann. „Wenn Ihr Partner nichts dagegen hat, möchte ich Sie irgendwohin einladen."
Subow sagte zu dem Mädchen:
„Ich bring ihn zu Polonski."
In einer kleinen Bierstube tranken sie, an der Theke stehend, schweigend ihr Bier, das reichlich mit Wasser verdünnt war.
Subow sagte zu dem Besitzer:
„Sie, Herr Polonski, als gestern die Wasserleitung kaputt war, hat das Bier kräftiger geschmeckt."
Ein junges Mädchen trat herein, in der Hand einen kleinen Koffer.
Das Gesicht glänzte von Vaseline. Sie gab Subow den Koffer und kommandierte: „Gehen wir!"
Sie bogen in ein dunkles Seitengäßchen ein, nachdem sich Subow verabschiedet hatte.
Sich an Johann anschmiegend, sagte sie:
„Ich bin Ihr Verbindungsmann. Ich glaube, daß es vorerst das beste ist, wenn Sie, na ja, kurz gesagt, wenn Sie mit mir flirten ... Oder haben Sie eine andere Version?"
„Nein", gestand Weiß aufrichtig.
„Dann werden Sie Ihrem Vorgesetzten von unserer Bekanntschaft morgen Meldung machen. Vielleicht auch darüber, daß Sie bei mir übernachtet haben. Das ist doch glaubwürdig?"
„Was ist glaubwürdig?" fragte Weiß.
„Ach", sagte sie böse. „Mit einer Artistin macht man doch keine großen Umstände."
„Nein, Sie irren sich. Man hält mich für einen sehr anständigen Jungen."
„Man soll nichts übertreiben, auch seine gute Erziehung nicht. Also merken Sie sich, ich bin Elsa Wolf, Volksdeutsche. Meine Mutter ist Polin, mein Vater Deutscher, Offizier, gefallen. Ich bin ein uneheliches Kind. In Krakau geboren. Katholisch. Wenn man Sie nach dem Partner fragt, er ist mein Geliebter. Aber er will mich abhängen. Ich glaube, das ist alles.” Sie erinnerte entschieden: „Also Sie werden bei mir übernachten."
„Das geht nicht. Ich habe versprochen, pünktlich zurück zu sein. Ich muß ..."
„Gar nichts ... Also, dann erzählen Siel"
Johann berichtete kurz alles, was er an Informationen bereithielt. Sie nickte und gab zu verstehen, daß sie es sich eingeprägt hatte. Ein Straßenpassant tauchte auf.
Elsa begann deutsch zu reden. Weiß hörte genau hin: Ihre Aussprache war einwandfrei.
Sie kamen zu einem vierstöckigen, unansehnlichen Haus. Elsa schloß die Tür auf. Es roch muffig. Ein langer Flur. Das Zimmer befand sich unmittelbar neben der Küche — es war winzig klein, ein Tisch, ein Stuhl, ein hölzernes Bett, nicht einmal ein Schrank.
Nachdem sie ihre Flauschjacke über die Stuhllehne geworfen hatte, sagte sie flüsternd:
„Legen Sie sich hin und schlafen Sie! Ich werde Sie wecken. Ziehen Sie den Rock aus, ich nehme ihn mit in die Küche zum Bügeln, wegen der Nachbarn."
Sie kehrte erst nach einer ganzen Weile zurück. Sie legte sich neben ihn, deckte sich mit der Jacke zu, rückte näher an ihn heran und fragte:
„Haben Sie mir noch was zu sagen?"
Johann flüsterte ihr ins Ohr, was er für notwendig hielt, noch zusätzlich dem Zentrum mitzuteilen. Sein Atem bewegte eine Haarsträhne von ihr. Und auf einmal begann das Mädchen zu lachen. Er dachte, daß sie sich über ihn lustig machte: daß seine Informationen entweder nicht glaubwürdig oder bereits veraltet seien. Doch sie sagte: „Es kitzelt."
Dann erklärte sie ihm, daß sie in Zukunft keine mündlichen Informationen mehr wolle; er müsse die Mitteilungen selbst chiffrieren.
Wegen der „Briefkästen" würde er später eine. Anweisung erhalten.
Den Lageplan der Treibstofflager könne er gleich aufzeichnen:
Subow könne ihn gebrauchen.
„Alles?"
„Alles", sagte das Mädchen.
Johann streckte sich aus und schaute zur Decke, von der Tapetenfetzen herabhingen. Er fragte:
„Sind die andern sehr zudringlich?"
„Ja. Aber ich habe eine Bescheinigung der Kommandantur: Der Kontakt mit Wehrmachtsangehörigen ist mir verboten. Ich bin Bazillenträgerin."
„Was für welche?"
„Tbc."
„Ist das wahr?" fragte Johann.
„Ja."
„Dann müssen Sie sich auskurieren."
„Nach dem Krieg unbedingt."
Sie beugte sich vor, berührte Johann unwillkürlich und nahm die Zigaretten vom Stuhl.
Johann murmelte vor sich hin:
„Komisch, da lieg ich mit einem Mädchen im Bett ..."
„Ich bin für Sie kein Mädchen", unterbrach sie ihn grob, „ich bin für Sie eine Arbeitskollegin. Merken Sie sich: Es gibt weder Sie noch mich, solange all das ist."
Johann sprang auf, als Elsa ihn kaum berührt hatte, um ihn zu wecken. Ihr Gesicht war noch blasser als am
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