Im Labyrinth der Fugge
politischen Ereignissen aus aller Welt, Verschwörungen und Giftanschlägen, berichteten sie von Teufelsaustreibungen, Hinrichtungen und Besessenen. Dazu gehörte, dass keiner der beiden seine Quellen verriet und so brachten sie manchmal dieselbe Geschichte vor. Die Fugger finanzierten auch die Leibwache des Papstes, deshalb fühlte sich Ruedi Aeppli, ein junger Schweizergardist, dem Conte Fugger verpflichtet und horchte für ihn seine Kameraden aus. Er berichtete von einer Frau aus Zürich, die eine Missgeburt zur Welt gebracht hatte und dabei vor Schreck gestorben war. Das Kind hatte den Kopf auf dem Rücken wie ein indianischer Gockel, mit den verkehrten Knien schlug es sich selbst auf den Bauch und starb. In Jeremias’ Darstellung gebar eine Lutheranerin aus München eine Missgeburt, nur wuchsen bei dem Balg die Beine aus dem Kopf und mit den Händen, die wie Füße waren, erwürgte es sich selbst. Beide Geschichten endeten mit der Versicherung, dass das Kindlein getauft wurde, bevor es verstarb. Für die ›Zeytung‹, wie sie ihre Blättersammlung nannten, einigten sie sich auf eine Missgeburt aus Wien und ein armes Landsknechtweib hatte es geboren. Sie schrieben es als Nachricht Nr. 178 zwischen Nr. 177 ›die spanische Finanzpolitik, seine Majestät, König Philipp von Spanien leiht sich Geld‹ und 179. ›Philipp II. borgt weiter‹. Jeremias und Philipp hielten damit die Gerüchte um Spanien fest. Nicht mehr lange und sein königlicher Namensgeber würde um Schuldenerlass bei den Fuggern bitten.
Die nächste Botschaft, die der Schweizergardist brachte, war etwas, was Philipp nie zu hoffen gewagt hatte: Pius IV. lud ihn in seine Gärten ein.
Ruedi Aeppli geleitete Philipp zum Hühnerhof im Norden der vatikanischen Hügel. Ein alter Mann mit langer Nase und engstehenden Augen, die unter dem Pelzrand der Haube hervorlugten, erwartete ihn. In seine Armbeuge schmiegte sich ein schwarzer Gockel mit langen blaugrün glänzenden Schwanzfedern. Philipp verneigte sich und küsste dem Papst den dargebotenen Petrusring. Blitzartig hackte der Gockel nach ihm, schlug ihm eine tiefe Kerbe in die kaum verheilte Hand, was Philipp augenblicklich die Tränen in die Augen trieb.
Pius lachte. »Na, na, Carlo, sei artig. Begrüßt man so einen deutschen Gast?«
Philipp schluckte, lächelte gequält und verbarg die blutende Hand im Ärmel.
»Die italienischen Hühner sind kleiner als eure deutschen, dafür schöner anzuschauen«, redete der Papst drauflos.
»Man muss zwei auf einmal verzehren, um satt zu werden, aber dafür schmecken sie besser.« Gebieterisch zeigte er Philipp seine Zucht, als segnete er das Volk vom Balkon aus. Unterm Saum seiner weißen Soutane sammelte sich Hühnermist und Federn. Hastig saugte Philipp hinter dem Papstrücken das Blut von seiner Hand. Es brannte höllisch. Das Satansvieh mit roter Hautkrone ließ sich von seiner Heiligkeit persönlich im Gehege herumtragen, genoss es sichtlich aus halb zugekniffenen Augen und gurrte.
»Als ich dich zuletzt gesehen habe, lagst du noch an der Brust einer Amme.«
»Ihr wart schon mal in Augsburg?«, fragte Philipp. Vater hatte ihm nie erzählt, dass ein Papst zu Gast gewesen war. Wahrscheinlich war es für ihn so belanglos gewesen, als wäre ein Kürschner gekommen.
»Leider nein, als Generalkommissar kam ich damals nur bis München. Für meinen Vorgänger auf dem Heiligen Stuhl habe ich im Schmalkaldischen Krieg vermittelt, als die Lutherischen in allen Städten die Reformation durchsetzen wollten. Da habe ich deinen Vater kennengelernt.«
»Mein Vater war in den Krieg verwickelt?«, fragte Philipp. Er fühlte sich immer unbehaglicher. Er wollte doch nur die Gärten besichtigen, angeblich hatte der Papst auch ein Labyrinth, das nach dem Fußboden in Chartres gepflanzt worden war. Stattdessen erfuhr er Dinge, die er gar nicht hören wollte. »Soviel ich weiß, zogen meine Eltern vor meiner Geburt wie alle Patrizier drei Jahre nach München, weil meine Familie als Geldgeber des Kaisers in den lutherischen Kämpfen mit dem Leben bedroht war.«
Der Papst nickte. »Augsburg stimmte im Großen Rat für die Reformation und gegen den Kaiser. Dein Vater hat mit einer lutherischen Frau da eher ein Zeichen gesetzt. Seine Sorge galt aber seiner Büchersammlung, die er zurücklassen musste. Und während eine Kirche und ein Kloster nach dem anderen zerstört wurden, bangte er um so manche ketzerische Schrift. Er machte keinen Unterschied zwischen den Lehren.
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